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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Prinzessin?« Mit vierzehn verbrachte ich zehn Tage bei meiner Großmutter mütterlicherseits im Westen des Bundesstaats New York. Sie war eine zierliche, verschlossene Person namens Billie, und obwohl sie mich nie direkt fragte, hatte ich das untrügliche Gefühl, sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wer ich war. Es lag an der Art, in der sie mich ansah, indem sie durch ihre Brillengläser blinzelte und dabei auf der Oberlippe kaute. Hinzu kam, dass sie mich nie mit Namen ansprach. »Oh«, sagte sie, »bist du immer noch da?« Sie trat gerade ihren langen Kampf gegen Alzheimer an, so dass ich jedes Mal, wenn ich ins Zimmer kam, das Gefühl hatte, mich zu ihrer Beruhigung erneut vorstellen zu müssen. »Hi, ich bin's. Sharons Junge, David. Ich war nur gerade in der Küche und habe deine Sammlung Keramikfrösche bewundert.« Abgesehen von ein paar Fahrten ins Sommerlager war dies die längste Zeit, die ich je von zu Hause weg war, und ich bilde mir ein, durch diese Erfahrung härter geworden zu sein.
    Etwa zur gleichen Zeit, in der ich meine Großmutter erschreckte, packten Hugh und seine Familie ihre Koffer für den Umzug nach Somalia. In Mogadischu gab es keine englischsprachigen Schulen, so dass Hugh, nachdem er ein paar Monate zusammen mit seinem Lieblingsäffchen auf dem Anwesen der Familie herum gehockt hatte, zurück nach Äthiopien geschickt wurde, um dort bei einem Bier-Enthusiasten unterzukommen, den sein Vater auf einer Cocktail-Party kennen gelernt hatte. Mr. Hoyt installierte Alarmanlagen in ausländischen Botschaften. Er und seine Familie gaben Hugh ein Zimmer. Zum Essen wurde er an den Tisch gerufen, aber das war auch schon der Gipfel der Zuvorkommenheit. Nie fragte ihn jemand nach seinem Geburtstag, so dass Hugh auch an dem entsprechenden Tag kein Wort darüber verlor. Zwischen Äthiopien und Somalia gab es keine Telefonverbindung, und die Briefe an seine Eltern wurden über Washington nach Mogadischu weitergeleitet, was bedeutete, dass sie mit über einem Monat Verspätung bei ihnen eintrafen. Ich denke, es war in etwa so wie bei einem ausländischen Austauschschüler. Viele junge Menschen gehen Jahr für Jahr ins Ausland, doch für mich ist die Vorstellung einfach nur schrecklich. Die Hoyts hatten zwei Söhne in Hughs Alter, die ständig Sprüche losließen wie: »Hey, du sitzt auf unserem Sofa«, oder: »Pfoten weg von dem bemalten Bierkrug, der gehört dir nicht.«
    Nachdem er ein Jahr bei diesen Leuten verbracht hatte, bekam er zufällig mit, wie Mr. Hoyt einem Freund erzählte, er und seine Familie würden in Kürze nach München ziehen, in die Bierhauptstadt der Welt.
    »Die Ankündigung erschreckte mich«, sagte Hugh, »weil es bedeutete, dass ich mir eine andere Bleibe suchen musste. «
    Wo ich herkomme, kann ein durchschnittlicher Teenager die Frage nach dem Dach über dem Kopf getrost den Eltern überlassen. Man bekam es praktisch mit Mom und Dad mitgeliefert Voller Sorge, man werde ihn zu den Großeltern nach Kentucky schicken, wandte Hugh sich an den Beratungslehrer der Schule, der von einer Familie wusste, deren Sohn jüngst aufs College gewechselt hatte. Und so verbrachte er ein weiteres Jahr unter Fremden und ohne eigene Geburtstagsfeier. Auch wenn ich mir ein solches Leben nie gewünscht hätte, beneide ich Hugh doch um die Selbstsicherheit, die er aus dieser Erfahrung gewonnen hat. Nach Abschluss des College ging er nach Frankreich, ohne mehr als den Satz »Sprechen Sie Französisch?« zu kennen eine Frage, die einem garantiert nicht weiterhilft, wenn man die Sprache selbst nicht beherrscht.
    Während der Zeit in Afrika unternahm Hugh mit seiner Familie mehrere Reisen, oft in Begleitung ihres Äffchens. Das Hilton in Nairobi, eine Suite mit hohen Räumen in Kairo oder Khartum: Noch heute ist davon die Rede, wenn sie gemeinsam am Tisch sitzen. »Das war doch der Sommer in Beirut, oder, halt, das war, als wir von Zypern losgesegelt und nachher mit dem Orient-Express weiter nach Istanbul gefahren sind. «
    Von einem solchen Leben träumte ich in den Ferien in North Carolina. Hughs Familie wurde von Häuptlingen und Sultanen empfangen, während ich am Fischmarkt von Morehead City Maisbrot knabberte, ein Strandtuch wie eine Keffijeh um den Kopf geschlungen. Irgendwo auf der Welt stand ganz gewiss jemand in einem dreckigen Wasserloch und träumte davon, in einem gepflegten Familienrestaurant zu sitzen, Eistee zu schlürfen und sich durch einen riesigen Fischteller zu futtern, aber das

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