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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Obwohl Frankreich nicht einmal mein Heimatland ist, war in dem Augenblick für mich klar, dass diese Leute schnellstens zurückgeschickt gehörten, und zwar vorzugsweise in Ketten. Die Tatsache, dass mir meine Abneigung meine eigene Arroganz vor Augen führte, befeuerte meinen Hass nur noch weiter. Als der Zug in eine Kurve bog und ich meine Hand ein Stück die Stange hinaufschob, drehte sich der Mann zu seiner Frau um und sagte: »Carol hey, Carol, pass auf. Der Kerl ist scharf auf dein Portemonnaie.«
    »Was?«
    »Dein Portemonnaie«, sagte Martin. »Unser Spezi will an dein Geld. Nimm deine Handtasche nach vorn, damit er nicht so leicht rankommt.«
    Sie erstarrte, während er seine Anweisung bellend wiederholte: »Nach vorn. Tu die Handtasche vor den Bauch. Na, mach schon. Der Bursche ist ein Taschendieb.«
    Carol tastete nach dem Schulterriemen ihrer Handtasche und zog sie vor den Bauch. »Wow«, sagte sie. »Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet.«
    »Klar, du bist ja auch zum ersten Mal in Paris, also las dir das eine Lehre sein.« Martin starrte mich an, die Augen zu Schlitzen verengt. »In der Stadt wimmelt es nur so von Taschendieben wie unser kleiner Freund hier. Passt du nur einen Moment nicht auf, und schon haben sie dich bis aufs Hemd ausgeraubt.«
    Jetzt war ich also ein Stinkstiefel und ein Dieb. Im ersten Moment wollte ich etwas sagen, aber dann dachte ich, es sei besser abzuwarten und zu sehen, was er mir noch alles anhängen würde. Vielleicht dauerte es keine fünf Minuten, und ich wäre ein Crack-Dealer oder Zuhälter. Außerdem würde er, wenn ich jetzt etwas sagte, sich vermutlich entschuldigen, und das wollte ich nicht. Seine Verlegenheit hätte mir gefallen, aber davon hätte er sich erholt und mir nach ein paar Minuten betretenen Schweigens vermutlich sogar noch die Hand hingestreckt. Ich wollte dieser. Leuten nicht die Hand schütteln oder die Dinge aus ihrer Perspektive sehen, ich wollte sie weiterhin hassen. Also hielt ich meinen Mund und sah ziellos an die Decke.
    Die Metro fuhr in die nächste Station ein. Nachdem einige Fahrgäste ausgestiegen waren, ließen sich Carol und Martin auf zwei Klappsitzen neben der Tür nieder. Ich dachte, sie würden sich einem neuen Thema zuwenden, aber Martin war einmal in Fahrt und kannte kein Halten. »Genauso ein Scheißer wie der hat mir beim letzten Mal in Paris meine Brieftasche geklaut«, sagte er und nickte in meine Richtung. »Auch in der Metro - hat sich von hinten ran geschlichen, ohne dass ich was gemerkt habe. Bargeld, Kreditkarten, Führerschein: wusch alles weg, einfach so.«
    Ich stellte mir eine Anzeigentafel mit der Aufschrift MARTY-STINKSTIEFEL 0 : 1 vor und ballte zur Unterstützung meiner Mannschaft die Faust.
    »Du musst dir einfach klarmachen, dass diese pick-pockets ausgebuffte Profis sind«, erklärte er. »Ich meine, die haben daraus eine Kunst gemacht, wenn man in dem Zusammenhang von Kunst sprechen kann.« »Ich würde es nicht Kunst nennen«, erwiderte Carol. »Kunst ist etwas Schönes, aber den Leuten die Brieftaschen zu klauen ... das find ich einfach zum Kotzen.«
    »Allerdings«, sagte Martin. »Weißt du, die Mistkerle arbeiten in der Regel zu zweit.« Er blinzelte zum anderen Ende des Waggons. »Ich wette, der hat hier irgendwo noch einen Kollegen.«
    »Meinst du?«
    »Aber sicher«, sagte er. »Die fädeln das gewöhnlich so ein, dass einer sich genau in dem Moment die Tasche krallt, wenn der Zug in eine Station einfährt. Der andere Typ hat die Aufgabe, dich abzulenken und sich dir in den Weg zu stellen, wenn du plötzlich merkst, was da läuft. Dann hält der Zug, die Türen gehen auf, und die beiden sind in der Menge verschwunden. Hätten wir den Stinker da gewähren lassen, wäre er mittlerweile längst über alle Berge. Ich sag dir, vertu dich nicht, die Kerle sind verdammt flink.«
    Normalerweise bin ich nicht der Typ, den andere für flink und geschickt halten, so dass ich Martins Bemerkung auf eine seltsame Art schmeichelhaft fand. Brieftaschen zu stehlen ist nichts, auf das man stolz sein könnte, aber ich mag es, wenn man mich für ausgekocht und professionell hält. Ich war in der Nacht zuvor bis vier Uhr aufgeblieben und hatte ein Buch über Einsiedlerspinnen gelesen, aber Martin deutete die Ringe um meine Augen wohl eher als Anzeichen dafür, dass ich die ganze Nacht über Fliegen aus der Luft gefischt hatte oder was auch immer Taschendiebe treiben, um in Übung zu bleiben.
    »Dieses Sackgesicht«,

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