Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
Vom Netzwerk:
aber auch da kein Glück.
    “Er is’ nicht hier.” Miss Mary legt einen Fingernagel ans Kinn und beginnt sich schließlich nachdenklich zu kratzen. “Hmm, hmm, hmm.” Ihr Mund ist nach unten verzogen und sie schüttelt den Kopf.
    “Wo ist er?” frage ich. Ich hatte mich doch nur ganz kurz umgedreht.
    “Schau mal bei den Mülleimern nach.” Und dann, glaube ich, murmelte sie noch: “Da gehört solcher Abschaum hin.”
    “Miss Mary?” Mr. Whites Stimme zerschneidet die Luft. “Gibt es hier ein Problem?” Seltsam, er kann mir zulächeln und gleichzeitig Miss Mary gegenüber diesen Oberlehrerton anschlagen.
    “Miss Caroline, wie wär’s, wenn du dir was Süßes raussuchst?” Er hält mir ein großes Glas voller Fingerabdrücke von all den Kindern hin, und ich zeige, was ich gerne hätte. Das Glas ist so voll gestopft, dass ein Karamellbonbon herausfällt. Es liegt zwischen uns auf dem Boden und scheint zu schreien: “Heb mich auf, heb mich auf!”
    “Tut mir Leid, Sir.” Ich starre es an, hoffe, dass es sich auf wundersame Weise selbst auswickelt und in meinen wässrigen Mund hüpft. “Ich habe gerade kein Geld bei mir.”
    “Ach, sei nicht albern.” Er lächelt sogar noch netter. “Das ist ein Geschenk. Such dir was aus.” Er sagt das in Miss Marys Richtung, obwohl ich glaube, dass er mich meint. Bevor er noch seine Meinung ändern kann, schießt mein Arm wie von allein nach unten und hebt das Bonbon auf.
    Miss Mary ist gerade damit beschäftigt, den Reißverschluss ihrer Arbeitsschürze zuzuziehen, auf die mit großen Buchstaben White’s Drugstore gestickt ist. Sieht genauso aus wie die von Mr. White, nur dass sie grau statt weiß ist.
    “Verstehe ich richtig, dass du deinen Begleiter verloren hast?” fragt er mich. Das passiert dauernd: Die Leute stellen genau in dem Moment Fragen, wo man den Mund voll hat und nicht antworten kann. Mr. White ist jedoch sehr höflich und spricht weiter, bis er sieht, dass ich nicht länger auf dem Bonbon herumkaue. “Wenn das stimmt, ist heute mein Glückstag. Ich habe nämlich gerade noch gedacht, wie schön es wäre, wenn mir jemand im Hinterzimmer helfen könnte, die Flaschen alphabetisch zu ordnen. Wärst du vielleicht so freundlich, mich dabei ein wenig zu unterstützen, junge Dame?”
    Ich bin gerade damit fertig, mit der Zunge das Karamell von meinem Backenzahn zu entfernen. “Gern, Sir, aber ich weiß nicht, ob ich das darf.”
    “Wie wäre es, wenn ich deine Mama anrufe und sie um Erlaubnis bitte?” fragt er.
    “Ja, Sir”, sage ich. Ich weiß sowieso nicht, wo ich hingehen soll, nachdem Richard verschwunden ist und mich hier einfach allein gelassen hat. Mr. White geht zum Telefon neben Miss Marys Kasse und wählt unsere Nummer aus dem Kopf – ich schätze, das ist in einem kleinen Ort einfach so.
    “Libby? Dan White. “ Er macht eine Pause, damit Mama in begrüßen kann. Dann räuspert er sich. “Ähem, also, ich will dir keine Umstände machen, aber ich würde gern Miss Carolines Hilfe für heute in Anspruch nehmen, hier im Laden. Wie es scheint, hat dein Freund gerade ein paar, ähem, wichtigere Dinge zu erledigen. Wenn du also deine Tochter entbehren kannst, wäre ich dir sehr verbunden.”
    Wieder eine Pause. An Mr. Whites Gesicht kann man nicht ablesen, was Mama antwortet. Er muss müde sein, seine Augen sind halb geschlossen, er sieht aus, als würde er für eine Prüfung lernen, sich ihre Stimme genau einprägen oder so etwas.
    “Ich weiß nicht genau”, sagt er und wirft mir aus irgendeinem Grund einen Blick zu. “Es gab wohl eine kleine Verzögerung, er musste etwas warten. Ich bin aber sicher, dass er auf dem Rückweg wieder hier vorbeikommt, wenn er sieht, dass nicht mehr so viel los ist.” Er zwinkert mir zu.
    “Gut, dann abgemacht”, sagt er und räuspert sich erneut. “Ich behalte Miss Caroline bei mir bis fünf, und dann bringe ich sie nach Hause.” Pause. “Oh, nein, das ist gar kein Problem. Ich muss sowieso in die Richtung, weil ich den Godseys einen Besuch abstatten will.” Pause. “Wir sehen uns dann. Wiederhören.”
    Ich brauche ein paar Sekunden, bis meine Augen sich an das Hinterzimmer gewöhnen, in dem es im Gegensatz zu draußen Nacht ist. Es gibt kaum genug Platz, um ans andere Ende des Raumes zu laufen, überall sind Kisten übereinander gestapelt.
    “Folgendes stelle ich mir vor”, sagt Mr. White hinter mir, während er die Kartons mustert. “Die meisten dieser Kisten sind mehr oder weniger leer.

Weitere Kostenlose Bücher