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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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gehe direkt zu meiner Lieblingsmarke – die Bermudas. Ich berühre den weißen Sand unter den Palmen, die sich der Sonne zuneigen. Wenn ich mir aussuchen dürfte, wo ich leben will, dann auf den Bermudas. Dort ist es viel zu schön, als dass irgendetwas schlecht sein könnte. Wetten, dass es sogar Gesetze gibt, die verhindern, dass Menschen wie Richard da überhaupt hinreisen dürfen? Außerdem würde er sich durch sein dünnes braunes Haar die Kopfhaut verbrennen, und auch seine Arme mit den dicken Venen, die immer auf- und abhüpfen, würden knallrot werden.
    Ich schaue noch mal zum Bett und sehe, dass Emma sich zusammengerollt hat wie ein kleines Baby, das zurück in den Bauch der Mutter will. Sie versucht sich richtig klein zu machen, die Beine fest an die Brust gedrückt.
    Ich hasse Richard.
    Als ich Richard zum ersten Mal traf, tätschelte er mir den Kopf und ging an mir vorbei. Ich achtete nicht auf ihn, weil ich keine Ahnung hatte, dass er bei uns bleiben würde. Mama hatte zwar ein paar Andeutungen fallen lassen, wie: “Sei nett zu meinem neuen Freund”, “Warum ziehst du nicht mal eines von den Sommerkleidern an, die ich dir gekauft habe?”, aber ich begriff nichts, bis es zu spät war.
    Emma und ich spielten Ball auf der Veranda, als er mit einer Dose voller Nägel ankam, und Mama machte einen Riesenwirbel, als habe er das Rad erfunden oder so. Er sagte Mama, dass er mit den Nägeln die Bodendielen reparieren wolle, die sich gelöst hatten und an denen wir uns die Zehen stießen, wenn wir barfuß liefen. Toll. Das hätte
ich
auch gekonnt. Davon abgesehen hatte sich keiner mehr die Zehen an ihnen gestoßen, seit Daddy gestorben war, deswegen kapierte ich auch nicht, was das ganze Theater sollte. Aber Richard zwinkerte mir zu und sagte, er wolle nicht, dass meine kleine Schwester sich verletze. Mama warf uns ihren speziellen Blick zu, also sagte ich: “Danke, Sir”, obwohl sein Zwinkern überhaupt nicht ehrlich wirkte.
    Eines Tages ging ich mit Richard zu White’s Drugstore, weil Mama uns darum gebeten hatte. Das war ganz am Anfang, als Richard Mama noch gelegentlich einen Gefallen getan hat. “Caroline, warum begleitest du Richard nicht?” fragte Mama. Ich war wohl nicht die Begleitung, die Richard sich gewünscht hatte: Kaum war Mama nicht mehr zu sehen, verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht, und er hörte auf zu reden.
    “Hier, mein Kind”, sagt Miss Mary hinter der Theke. Dann legt sie den Kopf schief und murmelt laut genug, dass ich es hören kann: “Versteh’ nicht, warum sie den Kindern in der Schule immer so unnötig viele Hausaufgaben geben. Ihr seht ständig so
müde
aus.” Dann reckt sie den Kopf und sieht über mich hinweg. “Ich bin gleich bei Ihnen”, sagt sie zu Richard.
    “Ich bin gleich bei Ihnen …”, wiederholt Richard und zieht das Ende in die Länge, um deutlich zu machen, dass seiner Meinung nach noch etwas fehlt. Er musste sich stets wichtig machen.
    “Ich bin gleich bei Ihnen, Sir”, sagt sie und blickt wieder hinunter auf ihre Kasse. Richard besteht darauf, dass jeder ihn Sir nennt, selbst jemand, der alt genug ist, um sein Großvater zu sein.
    Miss Mary hat lange Fingernägel, die ein klackendes Geräusch machen, wenn sie die Zahlen in die Kasse tippt. Manchmal benutzt sie den kleinen Radiergummi am Bleistift, der normalerweise hinter ihrem linken Ohr klemmt, aber heute ist ein Fingernageltag. Ich sehe ihr dabei zu, wie sie die Rechnung von Mr. Sugner eintippt. Er arbeitet in der Bibliothek, in der zugleich auch die Historische Gesellschaft von Toast untergebracht ist – wenn man irgendwas über Toast wissen will, ist Mr. Sugner auf jeden Fall der Richtige. Tapp-tapp-tapp.
    Richard wirkt ungefähr so fröhlich, als ob er gerade in einen Reißnagel getreten wäre. Finster starrt er Miss Mary an und verlagert sein Gewicht von einem Bein aufs andere, als wäre sie daran schuld, dass er hier einkaufen muss und nicht die Tatsache, dass Mama Pflaster, Zahnpasta und einen Messbecher braucht. Wie er Miss Mary beäugt, gibt mir ein komisches Gefühl im Bauch. Als ob sie schlecht riecht. Und deswegen gehe ich zu dem Ständer, in dem verstaubte Postkarten stecken, die niemand jemals kauft, obwohl sie nur zehn Cents kosten. Es sind keine Postkarten von unserer Stadt, sondern Bilder von der Hauptstadt North Carolinas und einer Stadt namens Mount Airy.
    Als ich mich umdrehe, ist von Richard nichts mehr zu sehen. Ich schaue sogar in dem Gang mit den Windeln nach, habe

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