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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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zu verlassen, warum tut man es dann nicht?
    “Mama?” brülle ich schon, bevor die Eingangstür hinter mir ins Schloss fällt.
    Mama ist in der Küche, in der einen Hand eine Zigarette, mit der anderen rührt sie in einem Topf auf dem Herd.
    “Mama, Mr. White hat mich engagiert! Ich habe all diese Kartons aus seinem Lagerraum geschafft, und er sagte, noch nie wäre es so ordentlich und sauber gewesen, und er hat mich auf der Stelle genommen. Ich kann so viele Süßigkeiten essen, wie ich mag. Mama, bitte, sag dass ich darf, bitte.”
    “Mach mal langsam, Himmelherrgott, langsam.” Mama öffnet den Kühlschrank und starrt hinein. “Lauf und hol mir mal den Sirup aus der Vorratskammer, ja?”
    “Mama, darf ich nach der Schule dort arbeiten? Darf ich? Bitte, bitte, erlaube es mir!?”
    “Hol erst mal die Sirupflasche”, blafft sie mich an. “Über das andere müssen wir noch sprechen.”
    “Aber warum denn nicht? Das wäre doch toll. Ich würde mein eigenes Geld verdienen und Süßigkeiten bekommen, wann immer ich will. Bitte, Mama.”
    Mama rührt jetzt wieder, der Holzlöffel bewegt sich langsam, weil so viel in dem Topf ist, dass er beinahe überläuft. Ich schleiche mich näher an sie heran, weil sie irgendetwas murmelt, aber ich weiß ja, dass man Mama nicht zu sehr drängen darf, sonst dreht sie sich nämlich um und tut genau das Gegenteil von dem, was man sich eigentlich erhofft.
    “Im Lager arbeiten …”, sagt sie gerade. Glaube ich. “Umziehen …”
    Ich bekomme wirklich nur Satzfetzen mit, weiß aber, dass es in ihrem Kopf arbeitet.
    “Mama?”
    “Verdammter Hurensohn.” Der Löffel bewegt sich schneller, es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis alles über den Rand läuft. Es ist, als ob jemand im Schlaf eine Einkaufsliste herunterbetet – ihre Worte ergeben keinen Sinn.
    “Mama? Darf ich? Bitte?”
    “Was denn?” Sie wirbelt herum, als hätte ich sie aus ihren Gedanken aufgeschreckt, sie hält noch immer den Löffel in der Hand, rote Soße tropft auf den Küchenboden wie Blut. Platsch. Ich beobachte jeden einzelnen Tropfen. Platsch.
    “Darf ich bei White’s arbeiten?” Platsch.
    Sie betrachtet mich abschätzend, als würde ihr gerade erst auffallen, dass mir meine Jeans schon seit einem Monat zu klein geworden sind.
    “Ach, warum zum Teufel eigentlich nicht”, seufzt sie und dreht sich dann wieder zu dem kochenden Blut auf dem Herd.
    Ich bin so froh, dass ich sie von hinten umarme. Als sie steif wird wie ein Brett, fällt mir wieder ein, dass ich sie nicht berühren sollte.
    “Los, raus hier”, spricht sie streng in den Topf.
    Ich rase zu unserem Nest, damit ich Emma die Neuigkeiten erzählen kann.
    “Emma? Emma!” Ich nehme zwei Stufen auf einmal, so aufgeregt bin ich. “Wo bist du? Ich muss dir was erzählen.”
    “Hier oben”, schreit sie zurück.
    “Stell dir vor, ich habe einen Job bei White’s Drugstore, und ich darf so viele Süßigkeiten essen, wie ich will.” Ich bin ganz aus der Puste.
    Emma sitzt mit Mutsie, ihrem Lieblingsstofftier, auf dem Bett. “Was?”
    Nachdem ich wieder etwas Luft bekomme, richte ich mich auf. “Mr. White hat mir einen Job angeboten, nachdem Richard abgehauen ist und mich allein gelassen hat, um was weiß ich wohin zu gehen.”
    Ich erzähle ihr alles, und wie ich vermutet habe fragt sie natürlich: “Kann ich da auch arbeiten?”
    Am liebsten wäre es mir ja, dass sie einfach mit mir zusammen sein und nicht allein hier im Nest rumsitzen will, aber ich könnte wetten, dass es ihr nur um die Süßigkeiten geht. Kann ich gut verstehen. Ich und Emma, also wir sind süchtig nach Schokolade.
    “Bestimmt erlaubt Mr. White, dass du auch hilfst”, erkläre ich. Und das glaube ich auch wirklich. “Er hat gesagt, er kann gar nicht genug Hilfe bekommen. Das Lager sieht schlimmer aus als ein Blumenbeet im Februar.”
    Und so kommt es, dass wir beinahe jeden Tag nach der Schule bei White’s Drugstore arbeiten.

4. KAPITEL
    “I ch glaub’ ihr habt die Schachtel noch nich’ geseh’n, oder?” Miss Mary wirft Emma und mir von ihrem Platz hinter der Kasse aus einen Blick zu. Sie schließt ihr Kontobuch und zieht die Lesebrille ab. Miss Mary war die ganze Woche schon richtig nett zu uns, aber das ist ja nichts Neues. Einmal hat sie sogar hellrosa Haarspangen aus dem Korb neben der Kasse in Emmas Haar befestigt, jeweils eine an jeder Seite, damit ihr Gesicht mal richtig zu sehen ist. Miss Mary hat keine Kinder, deswegen müssen wir wohl

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