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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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gekreuzten weißen Holzbalken lassen wir den Sack auf den Boden fallen, und es macht einen dumpfen Schlag, als wäre eine Leiche darin. Genauso hat es sich auch angefühlt, wie eine Leiche.
    “Er ist so schwer.” Emma reibt sich die Arme.
    Da habe ich eine Idee.
    “Du, Em. Wie wäre es, wenn wir den Sack nicht mitnehmen?”
    Das ist nur so eine Idee, wir werden die Kleider ja brauchen, und deshalb wird sie das bestimmt nicht gut finden. Zudem haben wir nur vierzehn Dollar und achtunddreißig Cent, damit können wir keine neuen Sachen kaufen, nicht mal im White Elephant. Wo wir sowieso nichts kaufen würden. Bestimmt nicht.
    “Wir können doch nicht ohne Kleider weitergehen.” Da hat sie Recht.
    “Aber die halten uns auf”, sage ich in dem Tonfall, den Mama immer meine nervige Streitstimme nennt. Glaube ich zumindest. O Gott, ich beginne bereits zu vergessen, was Mama so sagt.
    “Das weiß ich doch auch.” An der Neigung ihres Kopfes kann ich sehen, dass sie versucht, eine Entscheidung zu treffen.
    “Ich hab’s! Wie wäre es, wenn wir die Kleider rausnehmen, die wir unbedingt brauchen, und einfach übereinander anziehen, dann müssen wir sie nicht herumschleppen”, sage ich.
    “Ja!”
    Und so kommt es, dass wir viele Lagen übereinander anziehen, in denen ich schwitze und Emma richtig dick aussieht.
    Das war die beste Entscheidung überhaupt, keine Frage. Es ist toll, nichts mehr außer der Erdnussbutter und dem Briefmarkenalbum tragen zu müssen. Außerdem weiß ich, dass niemand mehr in diese Scheune geht und der große Kleidersack somit nicht gefunden wird. Zumindest nicht in den nächsten Tagen. Und danach sind wir schon längst über alle Berge.
    Ich wünschte, ich hätte ein Haarband mitgenommen, mein langes Haar stört mich mächtig. Mein Nacken ist schon ganz verschwitzt, ich überlege, mit was ich die Haare zusammenbinden könnte.
    Bingo. Vor mir entdecke ich eine Trauerweide, die langen Zweige reichen auf den Boden, als wollten sie dort Klavier spielen.
    “Warte ’ne Sekunde.” Ich biege einen ganz dünnen Zweig hin und her, bis er bricht, was gar nicht so leicht ist, aber das ist wiederum gut, denn somit kann ich ihn um meinen Pferdeschwanz binden, ohne dass er reißt. Mir ist bereits ein wenig kühler.
    “Hast du Angst?” fragt Emma. Noch bevor ich antworten kann, schlüpft ihre kleine Hand in meine.
    “Nein”, lüge ich. Ich drücke ihre Hand ein wenig, damit sie weiß, dass ich zur Abwechslung gerne mal die Mutigere von uns bin. Allerdings fühle ich mich nicht besonders mutig. Zumindest nicht in diesem Moment, in der Dunkelheit, meilenweit entfernt von unserem Nest. Ach Gott, was sollen wir jetzt tun?
    Während ich auf ein Zeichen von Gott warte, laufen wir weiter. Und laufen. Und laufen.
    Emma hat schon lange meine Hand losgelassen und schlurft hinter mir her, sie muss wirklich erschöpft sein. Die Godsey Farm ist noch ungefähr dreimal so weit weg wie ich einen Stein schmeißen kann, und dort werden wir uns verstecken. Einmal, als wir noch viel jünger waren, ist Mama zu Mrs. Godsey gegangen, um mit ihr über etwas zu sprechen, was sie fuchsteufelswild machte, und wir spielten draußen, während die beiden sich drinnen unterhielten. Wir konnten nicht hören, was sie sagten, aber so wie Mama uns gewarnt hatte, ja nicht zu stören, glaube ich, dass es um ein streng geheimes Geldgeschäft ging. So was ist sowieso total langweilig, deswegen war es mir auch völlig schnuppe. Ich fand es toll, als Emma ein Loch unter der Veranda entdeckte, das groß genug war, dass wir uns beide durchquetschen konnten. Ich hoffe, dass inzwischen niemand dieses Loch repariert hat, denn dort wären wir in Sicherheit, sobald die Sonne aufgeht. Da könnten wir sogar ein bisschen schlafen.
    “He, Em. Mama hasst die Godseys doch immer noch, stimmt’s?”
    “Weiß ich nicht”, antwortet sie. “Ich glaub schon.”
    “Perfekt.” Mama wird uns hier nicht suchen, und somit haben wir einen ganzen Tag lang Zeit zu überlegen, was als Nächstes geschehen soll.
    Wir sind nicht mehr weit von dem Haus entfernt, zum Glück, denn bestimmt kommt gleich die Sonne raus. Außerdem werden die Jungs der Godseys heute bestimmt auf den Feldern arbeiten und sehr früh aufstehen. Die Jungs haben fast immer schwarze, klebrige Hände von all dem Tabak. Als würden sie sich nie waschen oder so.
    Wir halten an, versuchen die Stelle zu finden, wo das Loch war.
    “Haben die noch immer diesen Hund?” flüstere ich Emma

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