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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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ob der Boden ihn halb verschluckt hätte.
    “Ich kapiere nicht, warum er sie dauernd putzt, wenn sie doch im Schrank bleiben.” Sie hüpft von dem Baumstamm herunter und läuft weiter über die Nadeln.
    Ich zucke nur mit den Schultern, weil ich die Antwort genauso wenig kenne wie sie.
    “Warum hat Mama ihn überhaupt geheiratet?” Emma bückt sich und zupft an einem kleinen Pilz herum, der aus einem moosbewachsenen Stein schießt. Aber eigentlich redet sie nur so vor sich hin. Sie weiß genau, dass ich nicht die geringste Ahnung habe, was Mama jemals an diesem Mann gefunden hat.
    “Ich sag dir was.” Mama stellte sich vor den Fernseher und blockierte mir die Sicht auf den sonntäglichen Zeichentrickfilm. “Du bist fauler als ’ne lahme Ente.”
    Deputy Dawg!
Meine Lieblingsserie.
    “Caroline! Du machst dich jetzt besser für die Kirche fertig, sonst haut dich dein Daddy zu Brei.”
    Aber Daddy sah überhaupt nicht so aus. Er kam gerade lächelnd die Treppe hinunter und putzte seine Brille mit einem Taschentuch.
    “Treib mal besser deine Tochter an, wenn du noch einen Platz bekommen willst”, sagte Mama, eilte in die Küche und kramte im Kühlschrank herum.
    “Caroline Clementine, hör auf deine Mutter und stell das aus.” Er kam mit blitzenden Augen zu mir. “Oder du musst Bobby Bolker helfen, die ganzen Kerzen anzuzünden.”
    Damit bringt man mich dazu, so ziemlich alles zu tun. Bobby Bolker ist schlimmer als ein verdorrtes Stinktier. Seine Ohren sind mit irgendwelchem weißen Zeugs verkrustet, die fettigen Haare glatt nach unten gekämmt und seine klebrige Haut ist so schmutzig, als hätte er sich, seit er drei war, nicht mehr gewaschen.
    “Schon gut, schon gut”, rief ich. Daddy bedrängte Mama derweil schon längst in der Küche, ihn zu küssen. Sie schlug nach ihm wie nach einer lästigen Fliege.
    Ich versuche oft, mich an Daddy zu erinnern. Daran, dass er immer lächelte, wenn er in Mamas Nähe war. Und wie er immer vorgab, mir den Hintern zu versohlen, wenn sie ihn darum bat, dabei schlug er in Wahrheit neben mich auf das Bett, und ich brüllte wie am Spieß. Dann zwinkerte er mir zu und ließ mich allein in meinem Zimmer, damit ich darüber nachdenken konnte, was ich falsch gemacht hatte. Mama wusste nichts davon. Das war unser kleines Geheimnis.
    Und er roch gut. Mama erzählt, dass er mich an den Tagen, an denen die Teppiche ausgelegt wurden, mitnahm, weil ich so gerne Purzelbäume in der Mitte machte, bevor die Möbel wieder reingeräumt wurden. Ich glaube, ich kann mich daran erinnern, aber ganz sicher bin ich mir ehrlich gesagt nicht. Jedenfalls finde ich heute noch den Geruch von neuem Teppich ganz toll.
    Nachdem Daddy gestorben ist, hat Mama ihr Zimmer sehr lange nicht verlassen. Ich musste einen Stuhl aus dem Wohnzimmer in die Küche stellen, um an die Schränke zu kommen und mir etwas zu Essen zu holen, denn zu dieser Zeit hat sie überhaupt nichts gekocht. Ihre Tür blieb einfach geschlossen wie der Mund von der alten Mrs.Streng früher, wenn ich mir in ihrem Laden ein Bonbon aus dem Glas genommen habe. Jedenfalls war das Essen, an das ich mit dem Stuhl heranreichte, nicht gerade das leckerste. Müsli ohne Milch, Dosen mit gekochten Bohnen, die ich kalt aß. Und Zucker, den ich auf mein trockenes Müsli schüttete und später direkt aus der Tüte aß, als alles andere weg war. Früher habe ich Zucker gemocht, jetzt kann ich ihn nicht mehr leiden.
    In ihrem Zimmer roch es nach verschwitzten Socken.
    “Mama?” Ich sprach immerzu mit ihr. Dass sie nichts sagte, bedeutete ja noch lange nicht, dass sie mich nicht hören konnte. “Mama, ich bin’s, Carrie.”
    Ihr Körper unter der Bettdecke sah so winzig aus. Nur ein Teil des Kopfes lugte hervor.
    “Ich wollte nur hallo sagen und dir den Frosch zeigen, den Emma und ich gefangen haben.” Ich brachte Buttercup nicht ins Schlafzimmer, weil ich nicht wusste, wie Mama das finden würde, aber wenn sie gesagt hätte, dass sie den Frosch gern sehen wollte, wäre ich in mein Zimmer gerannt und hätte ihn geholt.
    Das brauchte ich nicht. Kein Ton kam von dem Bett. Die Vorhänge waren geschlossen, und normalerweise würde ich so was nicht tun, aber in diesem Fall zog ich sie ein Stück auf, damit etwas Licht in dieses Loch fiel. Die Sonne warf einen Strahl ins Zimmer wie von einer Taschenlampe, winzige Staubflocken wirbelten durch die Luft, als müssten sie noch überlegen, wo sie landen wollten. Vielleicht mochte es Mama deshalb lieber

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