Ich & Emma
dunkler – damit sie den Staub nicht sehen musste, eine Schutzmaßnahme also.
Ich hatte eine Idee! Ich würde Staub wischen. Dann konnten die Vorhänge offen bleiben.
“Warte, bin gleich wieder da, Mama”, sagte ich, obwohl mir klar war, dass sie nicht einfach verschwinden würde.
Mir gefällt unser Staubwedel. Es ist, als hätte man einen Vogel in der Hand, die Federn sind so weich und flauschig. Ich lief nach unten, holte ihn aus dem Küchenschrank und raste wieder die Treppe hinauf, bevor Mama die Vorhänge wieder zuziehen konnte.
“Bin wieder da.” Ich schloss leise die Tür hinter mir. Denn wahrscheinlich wollte sie keine lauten Geräusche um sich haben, weil sie das vielleicht daran erinnerte, wie Daddy gestorben war. Also drehte ich den Knauf ganz vorsichtig und ließ ihn erst los, als die Tür ganz geschlossen war.
Das Problem war, dass durch den Staubwedel nur noch mehr Schmutz durch die Luft flog, bis ich das Gefühl hatte, ersticken zu müssen.
“Du, wie wäre es, wenn ich eine Weile das Fenster aufmache?” Ich sprach zu ihr mit derselben einfühlsamen Stimme wie sie früher, wenn ich krank war und sie mir Cola und zerdrückte Bananen brachte, damit mein Magen sich wieder beruhigte.
“Ich mach es nur einen Spalt auf, damit etwas Frühlingsluft reinkommt. Du solltest sehen, wie schön das Wetter ist.” Der Luftzug half mir, schnell hatte ich den Schreibtisch und die Kommode abgestaubt.
Der Nachttisch befand sich direkt neben ihrem Gesicht, und obwohl ihr Kopf fast ganz zugedeckt war, wollte ich sie nicht wütend machen, indem ich sie weckte. Ich überlegte, ihn ganz auszulassen. Aber andererseits war gerade der Nachttisch wichtig, weil sie den ja am meisten zu sehen bekam. Ich schlich hinüber, leise wie eine Maus. Bevor ich loslegte, beugte ich mich über sie, um sicherzustellen, dass sie fest schlief. Bingo. Also räumte ich die ganzen Pillenschachteln herunter und das Foto von Daddy und mir, auf dem ich noch winziger war als Emma jetzt, und das halb leer getrunkene Glas Wasser. Der Staubwedel besorgte den Rest. Er entfernte auch alle Flecken, schon bald konnte man die echte Farbe des Holzes sehen, als wäre es ganz neu. Ich konnte mein Glück kaum fassen, Mama hatte nicht einen Pieps von sich gegeben. Wie überrascht würde sie sein, wenn sie aufwachte und sah, wie sauber es nun war. Nachdem ich alles wieder auf den Nachttisch gestellt hatte, hob ich die Dosen vom Boden neben dem Bett auf. Unzählige Zigarettenstummel trieben in der restlichen braunen Brühe, ich musste darauf achten, nichts fallen zu lassen. Geschafft!
Auf Zehenspitzen tapste ich aus dem Zimmer, ließ aber den Vorhang und das Fenster offen, damit es dort nicht länger roch wie auf unserer Schultoilette.
Ich musste zweimal die Treppe hoch und runter laufen, bis alle Dosen im Müll waren.
Als kurz danach Reverend Cleary vorbeikam, machte er große Augen. Er sah mich ganz traurig an, tätschelte mir den Kopf und öffnete Mamas Tür. Ich blickte mich um und verstand nicht, warum er so traurig war, wobei es in der Küche echt schmutzig und unordentlich war, schlimmer noch als in Mamas Zimmer. Das war mir so peinlich, dass ich sofort anfing, dort den Müll einzusammeln, aber die Zeit reichte nicht. Es gab einen Stapel, den ich nicht anzurühren wagte. Das waren alte Pfannen voller Essen, die die Nachbarn vorbeigebracht hatten, aber ich traute mich nicht, das Ungeziefer zu verscheuchen, das darauf herumkrabbelte. Mit Emma wollte ich darüber nicht sprechen, ich versuchte besonders nett zu ihr zu sein, weil sie es war, die gesehen hat, wie Daddy starb.
Sie spricht nicht darüber, aber ich habe gehört, wie Mama es bei der Beerdigung Mrs. Godsey erzählte, und das war echt schlimm. Die Männer waren hinter dem Geld her, sagte sie. Mrs. Godsey sagte, wenn die gewusst hätten, dass wir arm wie Kirchenmäuse wären, würde Daddy heute noch leben. Sie sagte, letztendlich hätte ihn diese Armut das Leben gekostet, weil die Diebe offenbar sauer waren, als sie alles durchsucht und kein Bargeld gefunden hatten. Deswegen haben sie ihn erschossen. Direkt vor Emmas Augen. Sie glaubten, Emma wäre zu jung, um sie zu verraten, und ich schätze, das stimmt. Sie gab keinen Ton von sich, nachdem Daddy tot war. Sie hat zwar auch vorher nicht viel gesprochen, aber sie begann gerade, zu lernen und konnte sogar schon “Ma” sagen. Aber danach hörte man fast nichts mehr von ihr.
Ich war im Hof mit Forsyth. Wir spielten abwechselnd Pferd und
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