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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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sie. Ich bringe es nicht über mich, Emma anzusehen, weil sie bestimmt wegrennen will und ich nicht weiß, ob ich dazu jetzt in der Lage bin. Ich bin müde, und diese paar Löffel Erdnussbutter haben meinen Hunger nicht gestillt.
    “Rein ins Haus, damit ich Libby Culver anrufen kann”, sagt Mrs. Godsey.
    “Ist schon gut, wir gehen einfach wieder nach Hause, Mrs. Godsey”, sagt Emma mit einer Stimme, die ich kaum erkenne.
    “Ach, werden wir?” Sie versucht, genauso hoch zu sprechen wie Emma.
    “Ja, Ma’am, wir laufen sofort heim. Wir haben nur Verstecken gespielt.”
    “Verstecken?”
    Das kauft sie uns niemals ab.
    “Ja, Ma’am. Aber wir sind jetzt fertig und gehen nach Hause. Tut uns Leid, dass wir Sie gestört haben.”
    “Und wo ist der Hundenapf?” Mrs. Godsey beugt ihren Körper halb nach unten und versucht, unter die Verandatreppe zu spähen.
    “Weiß ich nicht”, lügt Emma. Und dann rennt sie los. Mrs. Godsey starrt ihr hinterher, während ich auch losrase. Wir sind wieder frei.
    Ich dachte, ich würde nicht rennen können, aber ich vergesse einfach, wie müde ich bin, und wir laufen, bis die Godsey-Farm nur noch eine vage Erinnerung ist. Irgendwann bleibt Emma stehen, sie schnauft aber so laut, als würde sie noch immer rennen.
    “Du liebe Zeit, ich dachte, das wär’s gewesen”, stoße ich zwischen zwei Atemzügen hervor.
    “Ich. Auch.” Sie atmet so heftig, dass es sich anhört, als hätte sie zwei Sätze gesagt.
    “Wohin gehen wir jetzt? Sie wird natürlich Mama und Richard anrufen.”
    Emma atmet jetzt wieder gleichmäßiger und schaut in die Ferne. Wortlos zeigt sie in eine Richtung, also werden wir wohl auf den Wald zusteuern. Und ich spreche nicht von einem Wald, in dem kleine Rehkitze an Moos knabbern und Hasen mit den Pfötchen auf den Boden klopfen, während sie sich mit Stinktieren unterhalten: Ich spreche von einem Wald, der selbst den sonnigsten Tag schwarz werden lässt und den heißesten Tag kalt. Dieser Wald hält einen an den Schultern fest, reißt einen herum, stößt einen in eine Richtung und lacht, wenn man sich verläuft. Mama hat uns immer davor gewarnt, und wir haben auf sie gehört. Auf solche Bäume kann man sowieso nicht klettern, sie sind sehr hoch und haben dünne Äste mit jeder Menge Nadeln dran.
    “Du weißt doch, dass ich nicht mehr nach Hause gehe”, sagt Emma.
    “Ich weiß, ich weiß. Himmel, ist ja gut. Ich gehe auch nicht zurück, damit das klar ist.”
    “Du willst aber, das sehe ich.”
    Nun, darauf kann ich eigentlich nichts sagen, und daher schweigen wir, bis wir den Waldrand erreichen.
    “Meinst du, wir sind hier sicher?” Emma wendet den Blick nicht von der Dunkelheit vor uns ab, als würde sie von irgendetwas magisch angezogen werden.
    “Wird schon nichts passieren”, lüge ich.
    Sie weiß, dass ich lüge, darum nützt es nicht viel.
    “Dann mal los.”
    Wenn man tief in einen Wald geht, fällt als Erstes auf, wie weich der Boden ist. Die dicke Schicht aus Kiefernnadeln ist so hoch, dass man glaubt, auf einem Kissen zu laufen.
    “Meinst du, so fühlt es sich an, wenn man auf dem Mond herumspaziert?” fragt Emma.
    “Könnte ich wetten.”
    “Sag die Wahrheit, glaubst du, sie finden uns?”
    Ganz ehrlich, ich weiß keine Antwort darauf, deshalb gebe ich auch keine.
    “Carrie?”
    “Ja?”
    “Glaubst du, sie werden uns finden?”
    “Ich weiß es wirklich nicht.”
    “Woran denkst du gerade?” Sie wird etwas langsamer, damit sie mich besser verstehen kann.
    “Ich habe gerade an Richards Waffen gedacht, wenn du es genau wissen willst. Ich wette, er sucht mit der Jagdflinte nach uns, die in der Garage steht.”
    Nun bleibt Emma ganz stumm.
    “Du hast mich gefragt!”
    “Ich weiß, ich weiß”, murmelt sie finster. “Richard und seine verdammten Gewehre.”
    “Ich kann nicht fassen, dass du verdammt gesagt hast!” Emma flucht nie. Sie schimpft sogar immer mit mir, wenn ich “Verflixt” sage, weil sie selbst
das
für ein Schimpfwort hält.
    “Ist doch egal. Also glaubst du, er kommt mit der Flinte?”
    “Ganz bestimmt. Mama ist viel zu sehr damit beschäftigt, uns zu suchen, um das zu bemerken. Und er ist ganz verrückt nach seinen Waffen, soviel steht fest.”
    Emma balanciert auf einem Baumstamm, der unseren Weg kreuzt. Natürlich ist es kein richtiger Weg, wir laufen einfach nur zwischen den Bäumen durch. Dieser Baumstamm ist bestimmt schon vor sehr langer Zeit umgefallen, er ist mit Moos bewachsen und sieht aus, als

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