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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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Schwur offiziell würde oder so.
    “Also gut.” Emma wirft mir einen sanften Erwachsenenblick zu, der George das Gefühl geben soll, dass er jetzt etwas wirklich Wichtiges zu hören bekommt. “Du solltest dich besser setzen.”
    George würde jetzt vom höchsten Baum springen, wenn Emma das wollte, so neugierig ist er. Er lässt sich auf den Boden plumpsen und überkreuzt seine milchweißen Beine wie ein Indianer. Er wendet den Blick nicht von Emmas Gesicht.
    “Wir haben herausgefunden, dass die Mörder meines Vaters hier im Wald leben, und unsere Mission ist es, sie zu jagen.” Sie platzt damit heraus, ohne auch nur kurz in meine Richtung zu schauen. Wie ist sie nur
darauf
gekommen? Das nenn ich wirklich Fantasie.
    Das übersteigt offenbar Georges wildesten Träume. Er vergisst zu atmen. Nach einer Minute gelingt es ihm, etwas zu sagen.
    “In die… diesem Wald?” stammelt er. “Bist du si-sicher?”
    Er kämpft sich etwas mitgenommen auf die Beine. Mir ist klar, dass George uns nun keine Sekunde länger auf die Nerven gehen wird.
    “Absolut.” Emma nickt wie in der Kirche, ganz feierlich. “Die sind hier irgendwo. Wir müssen sie nur finden.”
    George verabschiedet sich nicht einmal. Wir betrachten seine spinnendürren weißen Beine, wie sie davonrennen.
    “Das hat ihm den Rest gegeben”, meint Emma.
    Und schon sind wir wieder auf dem Weg.
    “Wieso hast du das von Daddy gesagt?” flüstere ich, obwohl George schon längst weg ist, aber man kann nie vorsichtig genug sein, wie ich immer sage. Wir haben nie wirklich darüber gesprochen, wie Daddy gestorben ist – ich dachte immer, Emma denkt nicht darüber nach, weil sie so winzig war, als er getötet wurde und so.
    “Ich weiß nicht.”
    “Seine Mörder leben in diesem Wald und wir jagen sie?”
    “Nun …”
    “Nun was?”
    “Sie könnten ja hier wohnen, wer weiß. Sie wurden nie gefasst, oder?” Doch das ist eher eine Antwort als eine Frage, deswegen entgegne ich nichts. Sie hat ja Recht.
    “Trotzdem.” Mehr habe ich nicht zu sagen. Daddy ist mein Territorium, und das weiß sie.
    “Was war das?” Sie sieht richtig erschrocken aus. Dieses Mädchen hat Ohren wie ein Luchs.
    “Was war was?”
    “Psst.”
    “Wahrscheinlich wieder George Godsey.”
    “Psst.” Dieses Mal zischt sie mich an wie verrückt.
    Also bin ich still.
    Und jetzt höre ich auch was. Kein Zweifel, das sind Füße, die auf Äste treten. Das Geräusch kommt näher. Wir sehen uns nach einem guten Kletterbaum um, aber es ist keiner in Sicht. Nur Unmengen Kiefern.
    “Keine Bewegung oder ich schieß euch den Kopf von euren erbärmlichen Hintern”, höre ich eine Stimme, die mich beinahe dazu bringt, mir in die Hose zu machen. Ich bin wie gelähmt, vom Scheitel bis zur Sohle. Das ist noch schlimmer als wir jemals befürchtet haben … schlimmer als alles, was wir ertragen können.
    “Soso. Was haben wir denn hier”, sagt er. Seine Stimme klingt, als würde er lächeln.
    Ich bringe es nicht mal fertig, Emma anzusehen. Ich habe Angst, meinen Kopf auch nur ein winziges bisschen zu bewegen. Fast wünsche ich mir, dass er uns erschießt, weil ich weiß, dass alles andere zehnmal schlimmer werden wird.
    “Wegrennen nützt nix.” Jetzt ist er hinter uns, es ist nur eine Frage von Sekunden, bis er vor uns steht.
    Bitte, Gott. Bitte beschütze uns.
    Ein erster Tropfen sickert durch mein Höschen, aber dagegen kann ich nun nichts tun.
    Und da ist er, er steht direkt vor uns und trägt seine volle Jagdmontur, die grauen und grünen und braunen Flecken sind so hässlich wie sein Gesicht mit all den Kratern und Leberflecken.
    Richard.
    “Schau sich das einer an, ein Scheißhaufen bist du, von oben bis unten vollgepisst”, sagt er und zeigt mit seinem Gewehr auf meine Beine. “Umdrehen! Bewegt euch!”
    Jetzt schaue ich Emma erstmals an, und am liebsten würde ich mich übergeben. Sie sieht aus, als hätte sie jemand gegen eine Wand gedrückt, so gerade ist ihr Rücken. Ihr Kopf erhoben. Ein kleiner Soldat, der in den Krieg marschiert. Ihr Gesicht ist ausdruckslos, wie in Stein gemeißelt.
    Richard hat weiter geredet, aber ich habe nicht zugehört. Ich betrachte nur meine Schwester.
    “So was gibt’s nicht noch mal, sonst werde ich …”, sagt er. “Hundefutter zu essen”, murrt er. “Ihr wollt Hundefutter. Bekommst ihr. Hundefutter werdet ihr bekommen. Jawoll, Sir …”
    Er stößt den Gewehrlauf in meinen Rücken, damit ich schneller laufe. Als ich zur Seite blicke, sehe

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