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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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Zebulon’s mitnehmen, damit ich Sie spielen hören kann? Bitte?”
    Er schüttelt erneut den Kopf, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich kleine Lachfältchen an seinen Augen entdecke.
    “Bitte!”
    “Nun gib erst mal Ruhe. Ich denke darüber nach, während ich die Leitung hier repariere.”
    Ich schiebe einen Finger unter die absplitternde weiße Farbe an seiner Tür. Nachdem ich sie problemlos abkratzen kann, mache ich weiter. Und weiter. Bis er das Kabel zusammenrollt und den Schraubenzieher zurück in den Werkzeugkoffer packt. Ich glaube, in dem Koffer liegt auch ein Maßband. Und ein paar stumpfe Bleistifte, die er mit einem Messer spitzt.
    “Na gut, Mädchen.” Er steht auf. “Du hast mich mit deiner Warterei mürbe gemacht, also sollten wir am besten gleich losziehen. Ich geh schnell rein und hol’ meine Gitarre.”
    Die Gitarre stellt er auf den Vordersitz seines klapprigen alten Pick-ups. Ich finde es gut, dass er nicht viel redet. Ich meine, ich habe keine Lust über Zuhause oder Oma oder Tante Lillibit nachzudenken.
    “Mr. Wilson?”
    Er lenkt mit einer Hand, der andere Arm liegt in dem geöffneten Fenster. “Ja?”
    “Was ist ein Streithammel?” Ich schaue auf meiner Seite auf die Straße, damit er nicht sieht, wie traurig es mich macht, an die Worte meiner Oma zu denken. Aber ich kann spüren, dass er mich ansieht.
    “Ich schätze, ein Streithammel macht genau das – streiten. Macht alles kaputt.”
    Jetzt sehe ich ihn an. “Kaputt? Möbel zum Beispiel?”
    “Ich meine Seelen.” Er streckt den linken Arm aus dem Fenster, wahrscheinlich um dem hinter uns Fahrenden zu signalisieren, dass er abbiegen will.
    “Er macht
Seelen
kaputt? Was heißt das?”
    “Ein Streithammel zerstört jede gute Stimmung. Das kann eine ganze Familie kaputtmachen. Aber warum fragst du?”
    Ich antworte nicht. Offenbar erwartet er das auch gar nicht.
    Ein paar Minuten später halten wir neben einem großen Gebäude, das aussieht wie ein Stall. Auf einem rostigen Schild steht “Ze lon’s”, weil das
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und das
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völlig verblasst sind. Mr. Wilson dreht sich um, schwingt sein Holzbein in dieselbe Richtung wie sein gesundes Bein, dann hüpft er aus dem Wagen und nimmt die Gitarre vom Sitz.
    “Ich bekomme meine Tür nicht auf”, rufe ich durchs Fenster. “Warten Sie! Ich bekomme die Tür nicht auf.” Aber er ist schon in dem Stall verschwunden und kann mich nicht hören, also rutsche ich hinüber und steige auf seiner Seite aus.
    “Ich war im Wagen eingesperrt”, verkünde ich, als ich ihn einhole.
    “Die Tür auf deiner Seite ist kaputt.”
    “Warum haben Sie mich einfach zurückgelassen?”
    “Wenn du nicht selbst herausfindest, wie man aus einem Wagen aussteigt,” er humpelt an Mehlsäcken vorbei, “dann gibt es keine Hoffnung für dich.”
    “Wilson.” Ein Mann in seinem Alter streckt ihm die Hand entgegen.
    “Walles”, sagt Mr. Wilson.
    “Wie kommt es, dass wir dein hässliches Gesicht bei Tageslicht sehen?”
    Mr. Wilson lächelt, schnappt sich ein Werkzeug, das auf einem Tisch liegt, und sagt: “Ach, weißt du, irgendjemand muss doch das Gesindel verscheuchen, das sich hier rumtreibt.”
    “Wer ist denn dieser abgebrochene Meter?” Er betrachtet mich mit einem Ausdruck, als ob ich etwas klauen wollte oder so.
    “Auf sie brauchst du nicht zu achten”, antwortet Mr. Wilson. Glaubt er, ich bin taub? “Sie will uns spielen hören. Sie ist eine Culver. Sie hat das Banjo im Blut.”
    Der Mann namens Walles nickt, zusammen gehen sie in den hinteren Bereich des Ladens, wo umgedrehte Milchkisten als Stühle dienen. Auf manchen liegen sogar alte Mehlsäcke – die Fünfpfundsäcke – damit man weicher sitzt. Mr. Wilson nimmt einen, Walles den anderen, und dann entdecke ich einen winzigen Mann, der wenige Schritte entfernt über eine Gitarre gebeugt hockt. Das muss wohl Zebulon sein, denn er sitzt in einem richtigen Sessel, mit Arm- und Rückenlehne. Wenn man der älteste Mann des Ortes ist, dann sollte man nicht auf Milchkisten sitzen müssen.
    “Zeb”, sagt Mr. Wilson sanft. Ich bin nicht sicher, ob Zebulon ihn gehört hat, doch dann nickt er und spielt weiter.
    “Was machen wir heute?” fragt Walles und drückt seinen Hintern tiefer in den Mehlsack.
    “Wie wär’s mit Mississippi John Hurt?”
    “Nee. Lieber Blind Willie McTell.”
    “Ich hätte Lust auf ‘Mama ‘Tain’t Long ‘Fore Day’. Oder wie wär’s mit der Linkshänderin, die die Gitarre andersrum hält? Wie heißt

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