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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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überrascht mich, Jacob. Normalerweise hältst du dich streng an die Regeln. Und die Informationen, die du haben möchtest, sind vertraulich. Ich schütze nur Mr. Sandersons Privatsphäre.«
    »Noch einmal«, sagte ich, »er ist verstorben.«
    Ich wollte keinen Moment länger auf dieser Veranda sitzen, auf der mein geliebter Mentor so viele schöne Stunden verbracht hatte. Also stand ich auf und streckte die Hand aus, um meinen Laptop entgegenzunehmen. Eban reichte ihn mir jedoch nicht. Er begann wieder, sich das Kinn zu reiben.
    »Setz dich hin«, sagte er.
    Das tat ich.
    »Würdest du mir verraten, warum dieser alte Fall dir plötzlich so wichtig ist?«
    »Schwer zu erklären«, sagte ich.
    »Es ist dir aber offenbar sehr wichtig.«
    »Ja.«
    »Wie ist Todd Sanderson gestorben?«
    »Er wurde ermordet.«
    Eban schloss die Augen, als mache diese Enthüllung es noch viel schlimmer. »Von wem?«
    »Die Polizei weiß es noch nicht.«
    »Welche Ironie des Schicksals«, sagte er.
    »Was?«
    »Dass er eines gewaltsamen Todes stirbt. Ich erinnere mich an den Fall. Todd Sanderson hat bei einer physischen Auseinandersetzung einen Kommilitonen verletzt. Oder, wenn wir es ganz genau nehmen, trifft es das nicht so ganz. Eigentlich hat Todd Sanderson einen Kommilitonen beinahe umgebracht.«
    Wieder wandte Eban Trainor den Blick ab und trank einen Schluck Wein. Ich wartete, dass er weitersprach. Es dauerte eine Weile, doch dann fuhr er fort: »Es war an einem Donnerstagabend bei einem Bierfest bei Chi Psi.«
    Die studentische Verbindung Chi Psi veranstaltete seit Ewigkeiten jeden Donnerstagabend während der Vorlesungszeit ein Bierfest. Vor zwölf Jahren hatte das College versucht, dem Einhalt zu gebieten, aber ein reicher Ehemaliger hatte einfach ein Haus außerhalb des Campus gekauft und es der Verbindung zur Verfügung gestellt. Er hätte das Geld auch für etwas Sinnvolles spenden können. Stattdessen hatte er seinen jüngeren Verbindungsbrüdern ein Haus gekauft, in dem sie sich besaufen konnten. Was sollte man dazu sagen? »Natürlich waren beide Beteiligten betrunken«, sagte Eban. »Sie haben sich unflätig beschimpft, es bestand aber im Grunde kein Zweifel, dass die schreckliche, ungebändigte körperliche Gewalt dann von Todd Sanderson ausging. Im Endeffekt musste der andere Student – tut mir leid, aber an den Namen erinnere ich mich nicht mehr, ich glaube, es war so etwas in der Art wie McCarthy oder McCaffrey – ins Krankenhaus. Seine Nase und sein Jochbein waren mehrfach gebrochen. Aber es kam noch schlimmer.«
    Wieder brach er ab. Ich verstand den Hinweis.
    »Was war noch schlimmer?«
    »Todd Sanderson hätte den anderen Studenten beinah erwürgt. Fünf Leute waren erforderlich, um ihn von seinem Kontrahenten herunterzuziehen. Der war dann bewusstlos und musste wiederbelebt werden.«
    »Wow«, sagte ich.
    Eban Trainor schloss die Augen. »Ich wüsste aber nicht, inwiefern das jetzt noch von Bedeutung ist. Wir sollten ihn in Frieden ruhen lassen.«
    »Ich frage nicht aus Sensationsgier.«
    Wieder umspielte das schwache Lächeln seine Lippen. »Oh, ich weiß, Jacob. Nicht zuletzt, weil du ein rechtschaffener Mann bist. Ich bin davon überzeugt, dass dein Interesse an diesem Vorfall absolut aufrichtig ist und der Allgemeinheit nur dienlich sein kann.«
    Ich sagte nichts.
    »Warum ist Sanderson damals ohne Strafe davongekommen?«, fragte ich.
    »Meine Entscheidung hast du gelesen?«
    »Das habe ich«, sagte ich. »Darin stand etwas von ›außerordentlichen, mildernden Umständen‹.«
    »Das ist richtig.«
    Wieder wartete ich, ging davon aus, dass meine nächste Frage naheliegend war. Als Trainor nichts sagte, gab ich ihm das erwartete Stichwort. »Worin bestanden diese mildernden Umstände?«
    »Der andere Student – McCarthy. So hieß er, ich erinnere mich wieder.« Trainor holte tief Luft. »Mr McCarthy hatte abfällige Bemerkungen über einen bestimmten Vorfall gemacht. Als Sanderson diese Bemerkungen hörte, ist er – was durchaus nachvollziehbar war – außer sich geraten.« Eban streckte mir die flache Hand entgegen, als wollte ich widersprechen, was keineswegs meine Absicht war. »Ja, Jacob, ich weiß, dass es absolut keine Entschuldigung für die Ausübung körperlicher Gewalt gibt. Ich bin sicher, dass das deine Position dazu ist. Aber wir haben uns diesen ungewöhnlichen Fall aus allen Blickwinkeln angesehen. Wir haben viele Fürsprecher von Todd Sanderson angehört. Einer hat ihn mit besonders großem

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