Ich finde dich
nein.«
»Wo zum Teufel bist du?«
Ich sagte nichts.
»Jake? Das ist kein Spiel. Wo bist du?«
»Ich ruf dich zurück.«
Wütend auf mich selbst legte ich auf. Shanta anzurufen war ein Fehler gewesen. Sie war zwar eine Freundin, in erster Linie aber ganz anderen Leuten und Organisationen verpflichtet.
Okay, tief durchatmen. Was jetzt?
Ich wählte die Nummer von Natalies Schwester.
»Hallo?«
Es war Julie. Ich legte auf. Sie war zu Hause. Mehr wollte ich nicht wissen. In meinem Motelzimmer hing die große Werbeanzeige eines Taxi-Unternehmens. Anscheinend fuhren die Leute nicht besonders gern mit dem eigenen Wagen ins Fair Motel. Ich wählte die Nummer und bestellte mir ein Taxi zum Target. Dann verzog ich mich in die Herrentoilette, wusch mich so gut, wie es am Waschbecken ging, und zog die neuen Sachen an.
Eine Viertelstunde später klingelte ich an Julie Potthams Tür.
Sie hatte so eine Glastür vor der eigentlichen Haustür, so dass sie sehen konnte, wer da war, aber noch sicher hinter der Glastür stand. Und als Julie sah, wer auf dem Treppenabsatz stand, weiteten sich ihre Augen, und sie hielt sich die Hand vor den Mund.
»Behaupten Sie immer noch, Sie wüssten nicht, wer ich bin?«, fragte ich.
»Verschwinden Sie. Sonst ruf ich die Polizei.«
»Warum haben Sie mich belogen, Julie?«
»Verlassen Sie mein Grundstück.«
»Nein. Sie können die Polizei rufen, und die kann mich hier wegzerren, aber ich werde wiederkommen. Oder ich folge Ihnen zur Arbeit. Oder ich komme nachts. Sie werden mich nicht los, bis ich Antworten auf meine Fragen bekommen habe.«
Julies Blick flackerte unruhig von rechts nach links. Ihre Haare waren immer noch braun. Sie hatte sich in den letzten sechs Jahren nicht viel verändert. »Lassen Sie meine Schwester in Ruhe. Sie ist glücklich verheiratet.«
»Und mit wem?«
»Was?«
»Todd ist tot.«
Das stoppte sie. »Was reden Sie da?«
»Er wurde ermordet.«
Ihre Augen weiteten sich noch mehr. »Was? Oh mein Gott, was haben Sie getan?«
»Was? Ich? Nein. Sie glauben …?« Das Gespräch geriet außer Kontrolle. »Es hatte nichts mit mir zu tun. Todd wurde in seinem Haus gefunden, in dem er mit seiner Frau und zwei Kindern lebte.«
»Kinder? Sie haben keine Kinder.«
Ich sah sie an.
»Ich meine, das hätte sie mir doch erzählt …« Julies Stimme versagte. Sie wirkte geschockt, und das hatte ich nicht erwartet. Ich war davon ausgegangen, dass sie über alles Bescheid wusste, eine Komplizin war, bei welcher Angelegenheit auch immer.
»Julie«, sagte ich ganz langsam, in der Hoffnung, dass sie sich wieder fing, »warum haben Sie bei meinem Anruf so getan, als wüssten Sie nicht, wer ich bin?«
Ihre Stimme klang immer noch abwesend. »Wo?«, fragte sie.
»Was?«
»Wo wurde Todd ermordet?«
»Er wohnte in Palmetto Bluff in South Carolina.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das ergibt doch keinen Sinn. Sie haben sich geirrt. Oder Sie lügen.«
»Nein«, sagte ich.
»Wenn Todd tot wäre – ermordet, wie Sie sagen –, hätte Natalie mir das doch erzählt.«
Ich leckte mir die Lippen, versuchte, nicht allzu verzweifelt zu klingen. »Dann haben Sie keinen Kontakt zu ihr?«
Schweigen.
»Julie?«
»Natalie hatte befürchtet, dass das passieren könnte.«
»Dass was passieren könnte?«
Endlich sah sie mir in die Augen. Ihr Blick traf mich wie ein Laserstrahl. »Natalie ist davon ausgegangen, dass Sie irgendwann kommen würden. Sie hat mir sogar gesagt, wie ich mich dann verhalten soll.«
Ich schluckte: »Und wie?«
»Ich sollte Sie an Ihr Versprechen erinnern.«
Schweigen.
Ich trat einen Schritt näher an sie heran. »Ich hab mein Versprechen gehalten«, sagte ich. »Sechs Jahre lang habe ich es gehalten. Lassen Sie mich rein, Julie.«
»Nein.«
»Todd ist tot. Das Versprechen, das ich damals gegeben habe, habe ich gehalten. Jetzt ist das vorbei.«
»Ich glaube Ihnen nicht.«
»Sehen Sie auf der Webseite von Lanford nach. Da finden Sie die Todesanzeige.«
»Was?«
»Im Internet. Todd Sanderson. Gucken Sie sich seine Todesanzeige an. Ich warte hier so lange.«
Ohne noch ein Wort zu sagen, trat sie zurück und schloss die Haustür. Ich wusste nicht, was das bedeutete. Ich wusste nicht, ob sie auf der Webseite nachsehen würde oder ob sie einfach die Nase voll hatte. Ich wusste nicht, wo ich sonst hingehen sollte. Also blieb ich vor der Tür stehen und wartete. Zehn Minuten später kam Julie zurück. Sie öffnete die Glastür und winkte mich herein.
Ich nahm
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