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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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vielleicht würde diese ganze Verwirrung endlich zu einer gewissen Klarheit führen.
    »Wo ist Natalie?«, fragte ich.
    Julie klemmte sich eine Strähne hinters Ohr und sah zu Boden.
    »Bitte erzählen Sie es mir.«
    »Ich begreif das alles nicht«, sagte Julie.
    »Ich weiß. Ich will nur helfen.«
    »Sie hat mich gewarnt. Und mich aufgefordert, Ihnen nichts zu erzählen.«
    Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte.
    »Es ist wohl das Beste, wenn Sie jetzt gehen«, sagte Julie.
    Keine Chance, aber vielleicht wurde es Zeit, es auf einem anderen Weg zu versuchen, sie noch etwas mehr aus dem Konzept zu bringen. »Wo ist Ihr Vater?«, fragte ich.
    Als sie mich vor der Tür stehen sah, hatte sich ganz allmählich ein Ausdruck der Verwunderung in ihre Miene geschlichen. Jetzt sah sie aus, als hätte ich ihr eine Ohrfeige gegeben. »Was?«
    »Er hat in Lanford unterrichtet – sogar in meinem Fachbereich. Wo ist er jetzt?«
    »Was hat er denn damit zu tun?«
    Gute Frage, dachte ich. Eine ganz großartige Frage sogar. »Natalie hat mir nie etwas über ihn erzählt.«
    »Nicht?« Julie zuckte lustlos die Achseln. »Dann stand sie Ihnen vielleicht doch nicht so nah, wie Sie gedacht haben.«
    »Sie war mit mir auf dem Campus und hat kein Wort über ihn gesagt. Warum nicht?«
    Julie überlegte einen Moment. »Es ist fünfundzwanzig Jahre her, dass er uns verlassen hat. Ich war fünf Jahre alt. Natalie neun. Ich kann mich kaum an ihn erinnern.«
    »Wohin ist er gegangen?«
    »Was spielt das für eine Rolle?«
    »Bitte, wohin ist er gegangen?«
    »Er ist mit einer Studentin durchgebrannt, die Beziehung hat aber nicht lange gehalten. Meine Mutter … sie hat ihm das nie verziehen. Er hat wieder geheiratet und eine neue Familie gegründet.«
    »Und wo?«
    »Das weiß ich nicht, und es ist mir auch egal. Meine Mutter hat erzählt, dass er irgendwo in den Westen gezogen ist. Mehr weiß ich nicht. Es hat mich nicht interessiert.«
    »Und Natalie?«
    »Was ist mit ihr?«
    »Hat sie sich für ihren Vater interessiert?«
    »Ob sie sich für ihn interessiert hat? Das spielte doch gar keine Rolle. Er war schließlich durchgebrannt.«
    »Wusste Natalie, wo er war?«
    »Nein. Aber … ich glaube, er war der Grund dafür, dass Natalie, was Männer betrifft, immer so verdreht war. Als wir klein waren, war sie überzeugt, dass Dad eines Tages zurückkommen und wir wieder eine Familie werden würden. Selbst als er wieder geheiratet hatte. Und sogar als er mit dieser Frau andere Kinder hatte. Er taugt einfach nichts, hat Mom immer gesagt. Für sie war er gestorben – für mich genauso.«
    »Für Natalie aber nicht.«
    Julie antwortete nicht. Sie wirkte gedankenverloren.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Meine Mutter ist jetzt im Pflegeheim. Wegen Komplikationen mit ihrem Diabetes. Ich habe versucht, mich um sie zu kümmern, aber …« Sie verstummte. »Wissen Sie, Mom hat nie wieder geheiratet. Sie hat nie wirklich gelebt. All das hatte unser Vater ihr genommen. Trotzdem hat Natalie sich immer nach einer Versöhnung gesehnt. Sie dachte immer noch … ich weiß auch nicht … dass es noch nicht zu spät ist. Natalie war eine Träumerin. Es war, als würde es etwas beweisen, wenn sie Dad fände – als könnte sie dann auch einen Mann finden, der sie nicht verlassen würde, was auch der Beweis dafür wäre, dass Dad uns eigentlich nie verlassen wollte.«
    »Julie?«
    »Was ist?«
    Ich wartete, bis sie mir direkt in die Augen sah. »Sie hat diesen Mann kennengelernt.«
    Julie sah aus dem Fenster in den Garten und blinzelte. Eine Träne lief ihr die Wange hinab.
    »Wo ist Natalie?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich werde nicht gehen, bis Sie es mir erzählen. Bitte. Wenn sie mich immer noch nicht sehen will …«
    »Natürlich will sie Sie nicht sehen«, fauchte Julie plötzlich wütend. »Wenn sie Sie sehen wollte, hätte sie dann nicht selbst Kontakt zu Ihnen aufgenommen? Sie hatten vorhin vollkommen recht.«
    »Womit?«
    »Was die Wahnvorstellungen betrifft. Und dass Sie eine rosa Brille tragen.«
    »Dann helfen Sie mir, die Brille abzunehmen«, sagte ich unbeirrt. »Ein für alle Mal. Helfen Sie mir, die Wahrheit zu sehen.«
    Ich weiß nicht, ob meine Worte sie erreichten, ließ mich aber nicht von meinem Ziel abbringen. Vielleicht sah sie das in meinen Augen. Vielleicht gab sie deshalb schließlich klein bei.
    »Nach der Hochzeit sind Natalie und Todd nach Dänemark gezogen«, sagte Julie. »Da haben sie gelebt, waren aber sehr

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