Ich finde dich
also passten meine Beine nicht richtig darunter. Ich beugte mich vor und drückte eine Taste am Computer. Der Bildschirm wurde hell. Wie die meisten Leute hatte Benedict seinen Computer nicht komplett heruntergefahren. Plötzlich wurde mir klar, wie altmodisch meine bisherige Hausdurchsuchung gewesen war. Niemand bewahrte heutzutage noch Geheimnisse in Schubladen auf.
Wir bewahren sie im Computer auf.
Ich öffnete Microsoft Office und sah mir die zuletzt bearbeiteten Dokumente an. Das erste war eine Word-Datei mit der Bezeichnung VBM - WXY .doc. Komischer Name. Ich klickte darauf.
Die Datei ließ sich nicht öffnen. Sie war passwortgeschützt.
Langsam …
Es hatte keinen Sinn, das Passwort herausbekommen zu wollen. Ich hatte keine Idee. Ich überlegte, wie ich das Passwort umgehen könnte. Mir fiel nichts ein. Die anderen kürzlich bearbeiteten Dateien waren Empfehlungsschreiben für Studenten. Zwei für medizinische Fakultäten, zwei für juristische Fakultäten und eine für eine Wirtschaftshochschule.
Was also enthielt diese passwortgeschützte Datei?
Keine Ahnung. Ich klickte auf das E-Mail-Symbol am unteren Bildschirmrand. Auch dafür brauchte man ein Passwort. Ich suchte auf dem Schreibtisch nach einem Zettel mit einem Passwort – das gab es bei vielen Leuten –, fand aber nichts. Noch eine Sackgasse.
Und jetzt?
Ich klickte auf den Internet-Browser. Benedicts Yahoo!-Nachrichtenseite erschien. Auch die brachte mich nicht weiter. Ich öffnete die Chronik und landete endlich so etwas wie einen Treffer. Benedict war vor Kurzem auf Facebook gewesen. Ich klickte auf den Link. Das Profil eines Mannes namens – unglaublich, aber wahr – John Smith erschien. John Smith hatte kein Foto von sich eingestellt. Er hatte keine Freunde. Er hatte keinen Status. Seine Adresse war angegeben mit New York, NY .
Dieser Computer war bei Facebook unter dem Namen John Smith angemeldet.
Hm. Ich überlegte. Offenbar hatte Benedict einen falschen Facebook-Account. Ich kannte viele Leute, die so etwas hatten. Ein Freund von mir nutzt einen Musik-Dienst, der über Facebook läuft und all seinen Freunden sämtliche Songs anzeigt, die er sich angehört hat. Da ihm das nicht gefiel, hatte auch er sich einen Account unter einem falschen Namen eingerichtet. Jetzt sieht keiner mehr, welche Musik er mag.
Die Tatsache, dass Benedict einen falschen Facebook-Account besaß, hatte nichts zu bedeuten. Interessanter war allerdings das, was ich feststellte, als ich seinen Namen ins Suchfeld eingab. Benedict Edwards hatte keinen offiziellen Facebook-Account. Im Mitgliederverzeichnis waren zwei Benedict Edwards aufgeführt. Einer war ein Musiker aus Oklahoma City, der andere ein Tänzer aus Tampa, Florida. Keiner von ihnen war mein Benedict Edwards.
Und noch einmal: na und? Viele Leute haben keinen Facebook-Account. Ich hatte mir zwar einen eingerichtet, benutzte ihn aber fast nie. Mein Profilbild war das Jahrbuchfoto. Ich nahm höchstens eine Freundschaftsanfrage pro Woche an. So war ich auf ungefähr fünfzig Freunde gekommen. Ursprünglich hatte ich mich einmal angemeldet, weil manche Leute mir Links zu Fotos und Ähnlichem schickten, die ich nur angucken konnte, wenn ich selbst einen Facebook-Account hatte. Darüber hinaus übten die sogenannten sozialen Netzwerke nur einen sehr geringen Reiz auf mich aus.
Vielleicht hatte Benedict den Account aus demselben Grund eingerichtet. Wir waren zusammen in vielen E-Mail-Verteilern. Wahrscheinlich hatte auch er sich den falschen Account eingerichtet, um sich Verlinkungen zu Facebook ansehen zu können.
Als ich mir die Chronik ansah, brach diese Theorie sofort in sich zusammen. Der erste Link führte zum Facebook-Account eines Mannes namens Kevin Backus. Ich klickte darauf. Zuerst dachte ich, es handele sich um einen weiteren falschen Account von Benedict und Kevin Backus wäre nur ein weiteres Pseudonym. Aber so war es nicht. Kevin Backus war irgendein unscheinbarer Mann. Auf seinem Profilfoto trug er eine Sonnenbrille und posierte mit hochgestrecktem Daumen. Als ich es betrachtete, runzelte ich unwillkürlich die Stirn.
Ich zermarterte mir das Gehirn. Kevin Backus. Weder der Name noch das Gesicht sagten mir irgendetwas.
Ich klickte auf sein Profil . Es war praktisch leer. Weder Adresse noch Schule, Beruf oder sonst irgendetwas wurde genannt. Die einzige Angabe lautete »In einer Beziehung«. Diesem Eintrag zufolge lebte er in einer Beziehung mit einer Frau namens Marie-Anne Cantin. Der
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