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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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Raum-Zeit-Kontinuums anzuzweifeln.
    Benedict stand in grünem Rollkragenpullover, beiger Cordhose und Tweedjacke vor mir – mit einer Pistole in der Hand. Ein Teil von mir wollte laut auflachen. Ich hatte tausend Fragen an ihn, fing aber mit der an, die ich von Anfang an immer wieder gestellt hatte.
    »Wo ist Natalie?«
    Wenn ihn die Frage überraschte, ließ er es sich nicht anmerken. »Das weiß ich nicht.«
    Ich zeigte auf die Pistole in seiner Hand. »Wirst du mich erschießen?«
    »Ich habe einen Eid geschworen«, sagte er. »Ein Versprechen gegeben.«
    »Mich zu erschießen?«
    »Jeden zu erschießen, der mein Geheimnis aufdeckt.«
    »Selbst deinen womöglich besten Freund?«
    »Selbst den.«
    Ich nickte. »Ich versteh das, weißt du?«
    »Was verstehst du?«
    »Jamal W. Langston«, sagte ich mit einer kurzen Geste Richtung Computer. »Ein Staatsanwalt mit einer Mission. Er hat sich mit den mörderischen, ghanaischen Drogenkartellen angelegt, ohne sich um seine eigene Sicherheit zu kümmern. Er hat sie zur Strecke gebracht, was bis dahin noch niemand geschafft hatte. Der Mann ist als Held gestorben.«
    Ich wartete darauf, dass er etwas sagte. Das tat er nicht.
    »Tapferer Mann«, sagte ich.
    »Ein Narr«, korrigierte Benedict.
    »Die Kartelle haben Rache geschworen – und wenn man dem Artikel Glauben schenken kann, waren sie erfolgreich. Jamal W. Langston ist bei lebendigem Leibe verbrannt. Aber das stimmt nicht, oder?«
    »Kommt darauf an.«
    »Kommt worauf an?«
    »Nein, Jamal ist nicht bei lebendigem Leibe verbrannt«, sagte Benedict. »Die Kartelle haben aber trotzdem erfolgreich Rache genommen.«
    Es fiel mir wie die sprichwörtlichen Schuppen von den Augen. Oder, nein, ich hatte eher den Eindruck, als würde die Brennweite einer Kamera richtig eingestellt. Der verschwommene Fleck im Hintergrund bekam plötzlich Form und Gestalt. Mit jeder Drehung – oder mit jeder Sekunde – wurde das Bild schärfer. Natalie, das Refugium, unsere unvermittelte Trennung, die Hochzeit, die New Yorker Polizei, das Überwachungsfoto, ihre mysteriöse E-Mail an mich, das Versprechen, das sie mir vor sechs Jahren abgenommen hatte … jetzt passte alles zusammen.
    »Du hast deinen Tod vorgetäuscht, um diese Frau zu retten, stimmt’s?«
    »Auch sie«, sagte er. »Und mich selbst natürlich.«
    »Aber vor allem sie.«
    Er antwortete nicht. Stattdessen trat Benedict – oder sollte ich ihn Jamal nennen? – näher an den Computer-Monitor heran. Er hatte feuchte Augen, als er die Hand ausstreckte und mit der Fingerspitze sanft über Marie-Annes Gesicht streichelte.
    »Wer ist sie?«, fragte ich.
    »Meine Frau.«
    »Weiß sie, was du getan hast?«
    »Nein.«
    »Warte«, sagte ich, und in meinem Kopf drehte sich alles, als mir bewusst wurde, was das bedeutete. »Selbst sie denkt, dass du tot bist?«
    Er nickte. »Das sind die Regeln. Das ist Teil des Eids, den wir ablegen. Nur so ist garantiert, dass alle sicher sind.«
    Wieder stellte ich mir vor, wie er hier vor dem Computer saß, die Facebook-Seite aufrief, die Fotos anstarrte, ihren Status, die neuen Entwicklungen in ihrem Leben – zum Beispiel, dass sie »in einer Beziehung« mit einem anderen Mann lebte.
    »Wer ist Kevin Backus?«, fragte ich.
    Benedict rang sich eine Art Lächeln ab. »Kevin ist ein alter Freund von uns. Er hat lange auf seine Chance gewartet. Das ist schon okay so. Ich will nicht, dass sie allein ist. Er ist ein guter Mann.«
    Selbst das Schweigen stach mir ins Herz.
    »Erzählst du mir, was hier los ist?«, fragte ich.
    »Da gibt’s nichts zu erzählen.«
    »Ich denke schon.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich hab’s dir schon gesagt. Ich weiß nicht, wo Natalie ist. Ich bin ihr nie begegnet. Außer von dir habe ich ihren Namen auch nie gehört.«
    »Das kann ich nicht recht glauben.«
    »Schade.« Er hielt die Pistole immer noch in der Hand. »Wieso hast du Verdacht gegen mich geschöpft?«
    »Das Navi in deinem Wagen. Es hat mir verraten, dass du zum Refugium in Kraftboro, Vermont, gefahren bist.
    Er zog eine Grimasse. »Wie dumm von mir.«
    »Warum bist du da hingefahren?«
    »Was glaubst du?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich wollte dir das Leben retten. Ich bin direkt nach der Polizei auf Jeds Farm angekommen. Offenbar hast du meine Hilfe nicht gebraucht.«
    Ich erinnerte mich – der Wagen, der die Zufahrt hinaufgekommen war, als die Polizei mein vergrabenes Handy gefunden hatte.
    »Wirst du mich erschießen?«, fragte ich.
    »Du hättest auf

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