Ich folge deinem Schatten
ich ja ein bisschen einkaufen oder so.«
»Aha. Na, dann übertreib es mal nicht.« Bernie gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich ruf dich morgen an, Liebling.«
»Fahr vorsichtig. Und wenn du merkst, dass du müde wirst, machst du eine Pause. Ich liebe dich und habe nicht die geringste Lust, die lustige Witwe zu spielen.«
Es waren ihre traditionellen Abschiedsworte, wenn Bernie auf Fahrt ging.
Penny gab ihm viel Zeit, damit er die Stadt auch bestimmt verlassen hatte, als sie gegen zehn Uhr ihre schwere Jacke, die Wintermütze und Handschuhe aus dem Schrank nahm. Das Fernglas hatte sie bereits auf das Sideboard hinter eine Lampe gelegt, damit Bernie es nicht entdeckte. Ich werde den Wagen an der Straße abstellen, die hinten an Owens’ Grundstück vorbeiläuft, dachte sie sich, dann schleiche ich mich an und verstecke mich im Wald. Es mag ja vielleicht lächerlich sein, aber wer weiß? Diese Evans hat irgendwas vor. Ich spüre es regelrecht.
Zwanzig Minuten später stand sie hinter einer Fichte mit schweren Ästen. Von hier aus hatte sie einen guten Blick auf das Haus. Sie wartete fast eine Stunde, Hände und Füße waren kalt geworden, bis sie beschloss, wieder abzuziehen. In diesem Augenblick ging die Seitentür des Farmhauses auf, und Gloria Evans trat mit zwei Koffern heraus.
Sie zieht aus, dachte sich Penny. Woher die plötzliche Eile? Rebecca hat doch gesagt, sie hätte dreißig Tage Zeit, bis sie rausmuss, falls das Haus verkauft wird. Andererseits hat ihr Rebecca auch gesagt, dass sie sich morgen mit dem Käufer das Haus ansehen will. Das hat unsere Miss Evans möglicherweise aufgescheucht. Hundert Dollar, dass ich recht habe. Was hat sie da drin zu verbergen?
Gloria Evans lud das Gepäck in den Kofferraum ihres Wagens und ging zum Haus zurück. Als sie erneut erschien, schleifte sie einen übergroßen Müllsack heraus, der sehr schwer zu sein schien. Auch den wuchtete sie in den Kofferraum. Dabei fiel oben ein Zettel aus dem Sack und wurde vom Wind in den Garten getragen. Evans sah ihm hinterher, machte sich aber nicht die Mühe, ihn aufzusammeln. Dann kehrte sie abermals ins Haus zurück und ließ sich die nächste halbe Stunde nicht mehr blicken.
Die Kälte trieb Penny zu ihrem Wagen zurück. Es war fast Mittag. Sie fuhr in die Stadt. Rebecca hatte an ihre Tür eine Notiz geheftet: »Komme gleich wieder.«
Enttäuscht schlug Penny den Heimweg ein, steuerte dann aber kurzerhand erneut ihren Beobachtungsposten hinter Owens’ Farmhaus an. Zu ihrem Verdruss war Evans’ Wagen fort. Sieh mal an, das heißt, dass keiner da ist, dachte sie sich und schlich sich mit angehaltenem Atem zur Rückseite des Hauses. Die Jalousien waren ganz nach unten gezogen – nur eine ließ einen etwa fünfzehn Zentimeter hohen Spalt über dem Fensterbrett frei. Sie spähte hinein und konnte die Küche mit ihren schweren alten Möbeln und dem Linoleumboden erkennen. Nicht viel zu sehen, dachte sie sich. Ob sich Evans endgültig aus dem Staub gemacht hat?
Auf dem Rückweg zum Wald fiel ihr Blick auf das Blatt Papier, das sich in einem Strauch verfangen hatte. Erfreut löste sie es.
Es war ganz offensichtlich eine Kinderzeichnung. Der Umriss eines Frauengesichts mit langen Haaren war zu erkennen, die Gesichtszüge ähnelten irgendwie Gloria Evans. Unterhalb der Zeichnung war ein einziges Wort gekritzelt: »Mommy«.
Dann hat sie also doch ein Kind, dachte Penny, und will nicht, dass andere davon erfahren. Ich wette, sie versteckt es vor dem Vater. Das würde zu ihr passen. Wahrscheinlich hat sie sich vor kurzem die Haare schneiden lassen. Kein Wunder, dass sie nicht wollte, dass ich den Spielzeuglaster sehe. Na, ich weiß, was ich tue. Ich rufe Alvirah an und erzähle ihr alles – vielleicht kann sie irgendwo eine Ms. Gloria Evans aufspüren. Vielleicht enthält diese Evans dem Vater das Kind vor, und es gibt eine Belohnung. Das wäre doch mal eine Überraschung für Bernie.
Mit einem zufriedenen Lächeln ging sie zum Wagen zurück, legte das Bild auf den Beifahrersitz, betrachtete es erneut und runzelte die Stirn. Irgendwas irritierte sie, es fühlte sich an wie ein entzündeter Zahn, der wieder zu pochen begann.
Wenn ich doch nur darauf kommen würde, dachte sie, als sie den Wagen anließ und losfuhr.
70
Die große Genugtuung, die er immer dann verspürte, wenn Fotos von Zan groß auf den Titelseiten der Klatschpresse erschienen, wollte sich am Samstagmorgen nicht einstellen. Er hatte eine schreckliche Nacht mit
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