Ich folge deinem Schatten
Sie hat sich daraufhin sogar die Videos der Überwachungskameras angesehen, den Kerl aber nicht richtig erkennen können.«
In der Nacht war Billy immer wieder aus dem Schlaf geschreckt, beunruhigt von dem Gefühl, Pater O’Brien im Stich gelassen zu haben. Aber wir haben uns doch die Videos angesehen, dachte er. Die Aufnahmen des Typen mit den schwarzen Haaren brachten uns nicht weiter. Es hätte jeder x-Beliebige sein können.
Am Morgen rief er als Erstes im Krankenhaus an, wo ein Polizist als Wache vor der Intensivstation abgestellt worden war. »Er scheint es zu schaffen, Billy«, lautete die erfreuliche Auskunft.
In der Dienststelle wartete an seinem Schreibtisch bereits Jennifer Dean, daneben hatte sich David Feldman eingefunden, einer der Beamten, die im Fall von Pater O’Brien ermittelten.
Nach außen hin ließ sich Jennifer Dean nichts anmerken, aber Billy wusste nur allzu gut, wie angespannt sie in Wirklichkeit war. »Warte, bis du hörst, was Dave uns zu erzählen hat, Billy«, sagte sie. »Es ist hochbrisant.«
Feldman kam sofort zur Sache. »Wir haben uns umgehend die Aufnahmen der Überwachungskameras angesehen, nachdem die Sanitäter den Pater ins Krankenhaus abtransportiert haben.« Die Falten um David Feldmans Augen zeugten von seiner sonst fröhlichen Natur, er war jemand, der gern lächelte, wovon jetzt aber nichts mehr zu spüren war. »Von den Kirchenbesuchern, die dreimal einen dumpfen Knall gehört haben, liegt uns die Beschreibung des Täters vor. Demnach handelte es sich um einen Mann, einsachtzig bis einsfünfundachtzig groß, mit buschigen schwarzen Haaren, der einen Trenchcoat und eine Sonnenbrille trug. Auf den Aufnahmen der Überwachungskameras ist zu sehen, wie er aus dem Versöhnungsraum stürzt. Er hat vermutlich eine Perücke benutzt. Sein Gesicht ist leider kaum zu erkennen.«
»Konnte jemand sagen, in welche Richtung er geflüchtet ist?«, fragte Billy.
»Eine Frau hat sich gemeldet, die jemanden in Richtung Eighth Avenue laufen sah. Könnte unser Mann gewesen sein. Oder auch nicht.«
»Gut.« Billy wusste, es würde noch mehr kommen, aber David Feldman würde es auf seine Weise erzählen und Schritt für Schritt den Verlauf der Ermittlungen nachzeichnen.
»Heute Morgen ist der Hausmeister der Kirche, Neil Hunt, zur Arbeit erschienen. Er war letzten Abend bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker und ist von dort sofort nach Hause und ins Bett gegangen. Vom Anschlag hat er erst heute Morgen erfahren.« Feldman rückte seinen Stuhl näher an Billys Schreibtisch und beugte sich vor. »Hunt war früher Polizist. Hat sich zwei Abmahnungen eingehandelt, weil er betrunken zum Dienst erschienen ist. Beim dritten Mal musste er seinen Ausweis abgeben.«
»Billy, du wirst staunen, wenn du erst den Rest hörst«, schaltete sich Jennifer dazwischen. »Du weißt doch, Alvirah Meehan hat uns von einem Typen erzählt, der ihr am Montag in der Kirche so seltsam vorgekommen ist.«
Feldman warf ihr nach der Unterbrechung einen genervten Blick zu. »Wir haben uns auch die Videoaufnahmen von Montagnachmittag angesehen«, fuhr er fort. »Es ist derselbe Typ, der auch auf den Pater geschossen hat. Eindeutig. Schwarzes Wuschelhaar, große dunkle Sonnenbrille, der gleiche Trenchcoat. Der Pater hatte keine Ahnung, wer er war.
Folgendes also, Billy: Soweit wir wissen, war am Montagnachmittag auch Zan Moreland in der Kirche. Sie hat die Kirche vor Alvirah betreten und sie vor ihr auch wieder verlassen, der Mann mit den schwarzen Haaren aber war ihr gefolgt. Und ist erst wieder gegangen, als er Pater O’Brien gesehen hat.«
»Ist Moreland nur in die Kirche gekommen, um ein Gebet zu sprechen, oder hat sie deiner Meinung nach etwas mit dem Mann zu tun, der auf den Pater geschossen hat?«, fragte Billy. »Oder ist sie zur Beichte gegangen, was den Typen nervös gemacht hat?«
»Ich würde nichts davon ausschließen«, antwortete Feldman. »Billy, hier ist noch etwas anderes am Laufen. Wie gesagt, der Hausmeister, der uns die Videoaufnahmen zur Verfügung gestellt hat, war früher mal Polizist.«
»Das war aber nicht der, der uns gestern die Videoaufnahmen gezeigt hat«, unterbrach Jennifer Dean erneut.
»Er behauptet, ein fotografisches Gedächtnis zu haben«, fuhr Feldman ungerührt fort. »Er meinte sogar, ich sollte mir seine Personalakten ansehen. Er schwört, am Montagnachmittag, kurz nachdem diese Moreland die Kirche verlassen hat, wäre er nach Hause gegangen, und einen Block weiter
Weitere Kostenlose Bücher