Ich folge deinem Schatten
geschehen?, fragte sie sich. Warum saß sie im Sessel, warum war ihr so kalt, obwohl sie den Morgenmantel trug, warum tat ihr jeder Knochen im Leib weh?
Ihre Hände waren taub. Sie rieb sie, bis die Fingerkuppen kribbelten. Sie ließ ihre eingeschlafenen Füße kreisen, ohne richtig zu wissen, was sie tat.
Wieder schlug sie die Augen auf. Direkt vor sich sah sie Matthews Bild. Die Lampe daneben brannte noch, obwohl fahles, trübes Licht durch die halb zugezogenen Vorhänge ins Zimmer fiel.
Warum bin ich letzte Nacht nicht ins Bett gegangen?, fragte sie sich. In ihrem Kopf war nur ein dumpfes Pochen.
Dann erinnerte sie sich.
Man unterstellte ihr, Matthew aus dem Buggy genommen zu haben. Aber das war doch unmöglich. Verrückt. Warum sollte ich das tun? Was hätte ich dann mit ihm gemacht?
»Was hätte ich mit dir denn gemacht?«, stöhnte sie, während sie Matthews Bild betrachtete. »Kann irgendjemand allen Ernstes annehmen, ich hätte dir wehtun können? Dir, meinem eigenen Kind?«
Zan sprang auf, eilte durchs Zimmer, ergriff Matthews Bild und drückte es sich an die Brust. »Warum glauben sie das?«, flüsterte sie. »Wie kamen diese Bilder von mir zustande? Ich war damals bei Nina Aldrich und habe den ganzen Nachmittag in ihrem neuen Stadthaus verbracht. Ich kann es beweisen. Natürlich kann ich es beweisen … Ich weiß, dass ich Matthew nicht entführt habe«, sagte sie jetzt laut und versuchte das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Ich kann es beweisen. Aber ich darf nicht zulassen, dass mir noch einmal so etwas wie letzten Abend passiert. Ich kann mir diese Gedächtnislücken wie nach Moms und Dads Tod nicht mehr erlauben. Wenn es tatsächlich ein Foto von einer Frau gibt, die Matthew aus seinem Wagen genommen hat, dann wäre es der erste wirkliche Durchbruch in diesem Fall. Darauf sollte ich mich konzentrieren. Ich darf nicht mehr in meine alte Hilflosigkeit zurückfallen, ich darf mich nicht mehr davon erdrücken lassen. Bitte, Gott, gib mir die Hoffnung, dass sich in diesen Fotos irgendein Hinweis auf Matthews Aufenthaltsort findet.«
Es war erst sechs Uhr. Statt zu duschen, ließ Zan den Jacuzzi volllaufen. Das warme sprudelnde Wasser würde ihrem verkrampften Körper guttun. Was soll ich bloß machen?, fragte sie sich erneut. Detective Collins muss die Fotos mittlerweile haben. Schließlich hat er damals die Ermittlungen geleitet.
Sie musste an die Reporter denken, die vergangenen Abend vor dem Four Seasons und auch vor ihrem Gebäude gewartet hatten. Würden sie versuchen, ihr auf Schritt und Tritt zu folgen? Würden sie gar vor ihrem Büro auf sie warten?
Sie drehte die Hähne in der Wanne ab, testete das Wasser und merkte, dass es zu heiß war. Das Telefon, dachte sie. Sie hatte es bei ihrer Rückkehr letzten Abend stummgeschaltet. Sie ging ins Schlafzimmer zum Nachttisch. Der Anrufbeantworter blinkte. Neun Anrufe waren eingegangen.
Die ersten acht stammten von Journalisten, die sie interviewen wollten. Entschlossen, sich nicht darüber aufzuregen, löschte Zan einen nach dem anderen. Der letzte war von Alvirah Meehan. Dankbar lauschte Zan den beruhigenden Worten ihrer Freundin, die ihr versicherte, dass die Fotos nur ein Betrug sein konnten. »Eine Schande, dass du dich mit so einem Unsinn herumschlagen musst, Zan.« Alvirah war regelrecht außer sich. »Natürlich wird sich alles als niederträchtige Fälschung herausstellen, aber es muss für dich eine ganz schreckliche Belastung sein. Willy und ich wissen das. Ruf doch bitte an und komm morgen zum Abendessen zu uns. Alles Liebe.«
Zan hörte sich die Nachricht zweimal an. Als die Computerstimme sie anwies »drücken Sie die Drei, um die Nachricht zu speichern, die Eins, um sie zu löschen«, drückte sie die Speichern-Taste. Es ist noch zu früh, um Alvirah anzurufen, dachte sie, aber ich werde mich bei ihr melden, sobald ich im Büro bin. Es wird mir guttun, heute Abend bei ihr und Willy zu sein. Vielleicht habe ich bis dahin auch schon mit Detective Collins gesprochen, und alles hat sich aufgeklärt. Und wenn dieser Mann aus England wirklich Fotos hat, auf denen zu sehen ist, wie jemand Matthew aus seinem Buggy nimmt, dann, o bitte, Gott, gibt es vielleicht etwas, dem Detective Collins nachgehen kann.
Beruhigt von dem Gedanken, schaltete Zan den auf sieben Uhr gestellten Timer der Kaffeemaschine aus und ließ sich sofort Kaffee aufbrühen. Dann glitt sie in den Jacuzzi und spürte, wie die heilsame Wärme die Anspannung in
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