Ich folge deinem Schatten
noch unter ihnen war.
Zan wusste, dass es jetzt wieder so weit war. Sie lehnte sich im weichen Sessel zurück und schloss die Augen.
Eine barmherzige Leere umfing sie, während sie seinen Namen flüsterte: »Matthew … Matthew … Matthew …«
15
Wie viel hatte Gloria dem alten Pater erzählt? Die Frage trieb ihn ununterbrochen um. Gloria stand kurz davor, die Nerven zu verlieren, ausgerechnet jetzt, da alles auf die Entscheidung zulief und alles, was er seit zwei Jahren geplant hatte, vor der Vollendung stand – ausgerechnet jetzt musste sie den Pater aufsuchen.
Als geborener Katholik wusste er, dass alles, was Gloria eventuell erzählt hatte, unter das Beichtgeheimnis fiel. Der Pater würde schweigen müssen. Aber er war sich nicht sicher, ob Gloria ebenfalls katholisch war. Falls nicht, falls sie nur zu einem kurzen Plausch dort aufgetaucht war, könnte der Mönch möglicherweise auf die Idee kommen, sich an sein Schweigegelübde nicht mehr gebunden zu fühlen und kundzutun, dass Zan eine Doppelgängerin hatte, jemanden, der vorgab, sie zu sein.
Und wenn das passierte, würde die Polizei Ermittlungen anstellen, und dann wäre alles bald vorbei …
Der alte Pater. Die Gegend um die West Thirty-first Street war nicht unbedingt die beste, dachte er. Dauernd kamen dort Leute bei einer Schießerei durch Querschläger um. Einer mehr oder weniger, was machte es schon?
Er würde sich selbst darum kümmern müssen. Er konnte nicht das Risiko eingehen, noch jemanden einzuweihen, der ihn mit dem Verschwinden von Matthew Carpenter in Verbindung bringen könnte. Am einfachsten wäre es, in die Kirche zurückzukehren und in Erfahrung zu bringen, wann der Pater die Beichte abnahm. Es musste doch einen Terminplan geben.
Aber das kostete Zeit. Vielleicht, dachte er, könnte ich einfach anrufen und fragen, wann Pater O’Brien das nächste Mal die Beichte abnimmt. Das sollte kaum für Aufsehen sorgen. Sicherlich gibt es Leute, die immer beim gleichen Priester ihre Probleme abladen wollen. Außerdem kann ich nicht untätig herumsitzen und darauf warten, bis er zur Polizei geht.
Entschlossen griff er zum Hörer, und man sagte ihm, dass Pater O’Brien in den kommenden zwei Wochen Montag bis Freitag von sechzehn bis achtzehn Uhr für die Beichte zur Verfügung stehe.
Wird Zeit, dass ich mal wieder zur Beichte gehe, dachte er.
Bevor er Gloria dafür angeheuert hatte, sich um das Kind zu kümmern, hatte er bereits gewusst, dass sie eine begnadete Maskenbildnerin war. Manchmal, hatte sie ihm erzählt, hatten sie und ihre Freundinnen sich als Stars aufgedonnert und damit alle hinters Licht geführt. Und dann hatten sie herzhaft gelacht, wenn laut der Seite 6 in der Post die Promis, als die sie sich ausgegeben hatten, dabei gesehen worden waren, wie sie in einem zweitrangigen Lokal zu Abend gegessen und anschließend gnädigerweise Autogramme gegeben hätten.
»Du wirst es nicht glauben, wie oft wir noch nicht mal eine Rechnung bekommen haben«, hatte sie gekichert.
Wenn wir uns in der Stadt treffen, dachte er, trage ich immer die Perücke, die sie mir gegeben hat. Mit der Perücke und dem Regenmantel und der Sonnenbrille würden mich noch nicht einmal meine besten Freunde erkennen.
Er musste laut lachen. Als Kind hatte er die Schauspielerei immer geliebt. Seine Lieblingsrolle war die des Erzbischofs Thomas Becket in T. S. Eliots Mord im Dom gewesen.
16
Nachdem er vor dem Four Seasons mit den Reportern gesprochen hatte, schaltete Ted Carpenter im Wagen sein iPhone ein und fand nach kurzer Suche die Fotos, auf denen unverkennbar Zan zu sehen war, wie sie Matthew aus dem Buggy hob. Schockiert stieg er vor seiner Luxus-Eigentumswohnung im gentrifizierten Meatpacking District in Lower Manhattan aus, und in seiner Wohnung überlegte er kurz, ob er sich tatsächlich mit Melissa in Lola’s Café treffen sollte. Welchen Eindruck macht das denn, falls die Fotos wirklich beweisen, dass meine Ex-Frau mein Kind entführt hat?
Er rief bei der Polizei an und wurde zu einem Beamten durchgestellt, der ihm mitteilte, es werde mindestens vierundzwanzig Stunden dauern, bis man mit Bestimmtheit sagen könne, ob die Fotos manipuliert waren. Wenigstens kann ich das den Paparazzi erzählen, dachte er, als er das Hemd wechselte und zu seinem Wagen zurückeilte.
Die Pressemeute vor dem in bestimmten Gesellschaftskreisen sehr beliebten Café wurde hinter einer Samtkordel-Absperrung zurückgehalten. Einer der Türsteher hielt ihm die
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