Ich folge deinem Schatten
Arbeitsplatz, dachte sie, als sie durch den mit Geräten vollgestopften Korridor zu dem Raum ging, den er als Büro benutzte. Sie wusste, dass dieser Trakt, wenn einmal alles fertig war, als Paketstelle für die Bewohner dienen würde.
Die Tür zu seinem provisorischen Büro stand einen Spaltbreit offen. Sie klopfte und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Am Tisch hinter Wilsons Schreibtisch stand eine blonde Frau. Sie drehte sich um. Nach ihrem erstaunten Gesichtsausdruck zu schließen, musste sie die Morgenzeitungen gelesen haben.
Dennoch stellte sich Zan vor. »Ich bin Alexandra Moreland. Ich habe mich gestern mit Mr. Wilson getroffen. Ist er hier?«
»Ich bin seine Sekretärin, Louise Kirk. Er hält sich im Gebäude auf, aber …«
Zan unterbrach sie, bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. »Es ist ein wunderbares Gebäude, und nach allem, was ich gestern gesehen habe, werden die zukünftigen Bewohner sehr, sehr glücklich sein. Ich hoffe, ich kann meinen Teil dazu beitragen.«
Ich weiß nicht, woher ich es nehme, so ruhig zu klingen, dachte sie. Sie hatte auch gleich die Antwort parat: weil ich den Auftrag unbedingt brauche. Schweigend, den Blick unverwandt auf die Frau gerichtet, wartete Zan.
»Ms. Moreland«, begann Kirk zögernd. »Es hat nicht viel Sinn, auf Kevin … ich meine, Mr. Wilson … zu warten. Er hat mich diesen Morgen gebeten, Ihre Entwürfe an Ihr Büro zurückzuschicken. Sie liegen hier, falls Sie sie gleich mitnehmen wollen. Ansonsten lasse ich sie natürlich in Ihr Büro liefern.«
Zan sah gar nicht zu den Unterlagen auf dem Tisch. »Wo ist Mr. Wilson?«
»Ms. Moreland, er ist wirklich nicht …«
Er hält sich in einer der Musterwohnungen auf, dachte Zan. Ganz bestimmt. Sie ging um den Schreibtisch herum und nahm sich das Paket mit ihren Stoffmustern und Entwürfen. »Danke«, sagte sie.
In der Lobby steuerte sie die Aufzüge an.
Wilson befand sich weder in der ersten noch in der zweiten Musterwohnung. Erst in der dritten, der größten Wohnung, traf sie ihn an. Skizzen und Stoffmuster waren auf der Küchentheke ausgebreitet. Es mussten Bartley Longes Entwürfe für dieses Apartment sein.
Sie trat neben Wilson und setzte ihr Paket ab. Ohne ein Wort der Begrüßung begann sie: »Ich sage Ihnen eines, wenn Sie mit Bartley Longe zusammenarbeiten, wird das Ergebnis ganz großartig aussehen, aber man wird nicht darin wohnen wollen.« Sie griff sich eine Skizze. »Wunderschön. Aber schauen Sie sich dieses Sofa an. Viel zu niedrig. Die Leute werden es wie die Pest meiden. Oder diese Wandgestaltung. Einfach fabelhaft, aber viel zu unpersönlich. Es ist eine sehr große Wohnung. Vielleicht interessieren sich Leute mit Kindern dafür, aber dieses Design wird sie kaum ansprechen. Egal, wie viel Geld Sie haben, wenn Sie nach Hause kommen, wollen Sie sich nicht in einem Museum wiederfinden. Ich habe Ihnen drei Entwürfe erstellt, in denen sich die Leute wohlfühlen.«
Ihr wurde bewusst, dass sie seinen Arm ergriffen hatte. »Tut mir leid, dass ich hier so reinplatze«, sagte sie, »aber ich muss mit Ihnen reden.«
»Das haben Sie jetzt. Sind Sie fertig?«, fragte Kevin Wilson leise.
»Ja. Sie haben wahrscheinlich mitbekommen, dass Fotos aufgetaucht sind, die scheinbar beweisen, dass ich das Kind entführt haben soll, das ich seit fast zwei Jahren verzweifelt suche. Wir werden bald wissen, ob ich beweisen kann, dass ich nicht die Frau auf diesen Aufnahmen bin … mag sie mir noch so ähnlich sehen. Beantworten Sie mir nur eine Frage: Wären diese Fotos nicht aufgetaucht, hätten Sie den Auftrag dann auch an Bartley Longe vergeben?«
Kevin Wilson betrachtete Zan eine ganze Minute lang, bevor er darauf antwortete. »Ich habe vorgehabt, Ihnen den Auftrag zu geben.«
»Gut, dann bitte ich Sie, mit der Entscheidung zu warten. Ich werde beweisen, dass ich nicht die Frau auf den Fotos bin. Ich werde die Kundin aufsuchen, derentwegen ich Matthew mit der Babysitterin in den Park schicken musste, und sie bitten, mit mir zur Polizei zu gehen. Sie wird bestätigen, dass ich zur fraglichen Zeit nicht hatte im Park sein können. Kevin, wenn Sie sich für Bartley Longe entscheiden, weil Sie seine Entwürfe besser finden, ist das eine Sache. Aber wenn Sie mir den Auftrag gegeben hätten, weil Ihnen meine Pläne besser gefallen, dann flehe ich Sie an, so lange zu warten, bis die Sache geklärt ist. Ich beschwöre Sie, warten Sie noch so lange.«
Sie sah ihn an. »Ich brauche diesen Auftrag.
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