Ich folge deinem Schatten
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will nicht, dass Sie mir den Auftrag aus Mitleid geben, das wäre lächerlich. Aber jeden Cent, den ich verdiene, werde ich für die Suche nach Matthew aufwenden. Und noch etwas sollten Sie bedenken. Ich wette, ich komme Sie dreißig Prozent billiger als Longe. Das zählt doch auch etwas.«
Schlagartig war jegliches Feuer in ihr erloschen. Sie deutete auf das Paket mit ihren Entwürfen. »Wollen Sie noch mal einen Blick darauf werfen?«, fragte sie.
»Ja.«
»Danke«, sagte Zan und verließ die Wohnung, ohne sich noch einmal zu Kevin Wilson umzudrehen. Als sie an dem wandhohen Fenster bei den Aufzügen vorbeikam, bemerkte sie, dass aus dem Nieselregen ein schwerer Regenschauer geworden war. Sie sah kurz hinaus. Ein Hubschrauber schwebte über dem West Side Heliport und bereitete sich auf die Landung vor. Er wurde von den Windböen durchgerüttelt und hin und her geworfen, bis er schließlich sicher aufsetzte. Er hat es geschafft, dachte sie.
Großer Gott, lass mich diesen Sturm bitte auch überstehen.
26
Billy Collins’Partnerin, Detective Jennifer Dean, war eine attraktive Schwarze in seinem Alter. Die beiden hatten sich auf der Polizeiakademie kennengelernt und schon bald miteinander angefreundet. Nach ihrem Einsatz bei der Drogenfahndung war sie zum Detective befördert und aufs Central-Park-Revier versetzt worden, wo sie ihm zu ihrer beider Freude als Partnerin zugeteilt wurde.
Zusammen suchten sie Tiffany Shields während ihrer Mittagspause am Hunter College auf. Die junge Frau war mittlerweile felsenfest davon überzeugt, dass Zan Moreland sie und Matthew unter Drogen gesetzt haben musste. »Zan hat damals darauf bestanden, dass ich die Pepsi trinke«, erzählte sie ihnen mit zusammengepressten Lippen. »Mir ging es ziemlich elend. Ich wollte gar nicht babysitten. Sie hat mir eine Pille gegeben. Ich dachte, es wäre Tylenol gegen die Erkältung, aber ich glaube, es war eine von denen, die einen so müde machen. Und ich will Ihnen noch etwas sagen. Matthew hat wie ein Stein geschlafen. Ich wette, sie hat ihm auch was eingeflößt, damit er nicht aufwacht, als sie ihn aus dem Buggy genommen hat.«
»Tiffany, das alles haben Sie mir damals nicht erzählt. Kein Wort davon, dass Sie geglaubt haben, Moreland hätte sie betäubt«, sagte Billy ganz ruhig. Er ließ sich keineswegs anmerken, dass die Aussage der jungen Frau für ihn schlüssig und stichhaltig klang. Wenn Moreland es darauf abgesehen hatte, ihr eigenes Kind zu entführen, dann hatte Tiffany ihr eine einzigartige Gelegenheit verschafft. Es war an jenem Tag ungewöhnlich warm gewesen, so warm, dass jeder etwas müde wurde, erst recht, wenn ihm wegen einer aufziehenden Erkältung sowieso schon etwas schummrig war und er noch dazu unter Drogen gesetzt wurde.
»Es gibt da noch etwas, worüber ich nachgedacht habe«, fuhr Tiffany mürrisch fort. »Zan hat eine Extradecke ins Ablagefach des Buggys gepackt, falls ich mich aufs Gras legen wollte. Sie hat gesagt, es sei so warm, dass wahrscheinlich alle Bänke besetzt seien. Ich fand das nett, aber wenn ich es mir recht überlege, könnte sie es doch einfach darauf abgesehen haben, dass ich einschlafe.«
Die beiden Polizisten blickten sich an. Konnte Moreland wirklich so gerissen und hinterhältig sein? »Tiffany, Sie haben damals – und auch später, wenn wir mit Ihnen gesprochen haben – nie gesagt, dass Sie unter Drogen gesetzt wurden«, erinnerte Jennifer Dean sie.
»Ich war doch völlig hysterisch. Ich hatte Angst. Dazu die vielen Leute und die Kameras, und dann sind Zan und Mr. Carpenter gekommen, und er hat nur auf mir herumgehackt.«
Wegen des warmen Wetters hatten sich im Park sehr viel mehr Menschen aufgehalten als sonst, dachte Billy. Moreland hat nur auf ihre Gelegenheit warten müssen, dann konnte sie einfach am Buggy vorbeischlendern und Matthew herausnehmen, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Selbst wenn der Junge aufgewacht wäre, hätte er nicht geweint. Dass Moreland so ruhig und gefasst reagierte, haben wir darauf zurückgeführt, dass sie unter Schock stand. Und als Ted Carpenter am Tatort eintraf, hat er nur das getan, was die meisten Väter in einer solchen Situation getan hätten: Er ist auf die Babysitterin losgegangen, weil sie eingeschlafen war.
»Mein nächstes Seminar fängt gleich an«, sagte Tiffany und stand auf. »Ich will nicht zu spät kommen.«
»Das wollen wir auf keinen Fall, Tiffany«, sagte Billy. Er und Jennifer
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