Ich folge deinem Schatten
daheim sein, aber sein vermaledeiter Laster hat in Pennsylvania den Geist aufgegeben. Jetzt übernachtet er in King of Prussia, bis die Karre repariert ist. Jedenfalls hab ich mich ganz schön ins Zeug gelegt und werde das leckere Essen auf keinen Fall allein verdrücken.«
»Ich komme mit Vergnügen«, versicherte ihr Rebecca. »Ich habe sowieso nichts zu Hause und wollte mir schon was von Sun Yuan holen, aber, ehrlich, ich nehme mir da so oft was mit, dass ich mich bald selbst in einen Glückskeks verwandle.«
Um 18.15 Uhr schlürften die beiden Freundinnen in Pennys Küchen- und Wohnbereich Manhattans. Der herrliche Duft aus dem Herd, bei dem einem das Wasser im Mund zusammenlief, und die Wärme des offenen Kamins verströmten das Gefühl von behaglicher Gemütlichkeit.
»Ach, ich muss dir von der neuen Mieterin in Sys Farmhaus erzählen«, begann Penny.
Rebecca sah sie misstrauisch an. »Penny, die Frau hat deutlich zu verstehen gegeben, dass sie für sich bleiben möchte, bis sie ihr Buch fertig hat. Du hast sie doch nicht etwa besucht?«
Noch während Rebecca die Frage stellte, kannte sie die Antwort. Sie hätte es sich denken können, dass Penny die neue Mieterin unbedingt in Augenschein nehmen wollte.
»Ich hatte gar nicht die Absicht, sie zu besuchen«, verteidigte sich Penny. »Ich hab ihr nur sechs von meinen Blaubeer-Muffins gebracht, als nachbarschaftliche Geste, aber die Frau war mir gegenüber richtig feindselig. Ich wollte sie doch gar nicht stören, sondern hab mir nur gedacht, dass ihr die Muffins schmecken könnten, und ich hab ihr meine Telefonnummer auf ein Post-it unten an den Teller geheftet. Wenn man irgendwo neu hinkommt, ist es doch schön, wenn man jemanden hat, den man im Notfall anrufen kann.«
»Das war ja auch sehr nett von dir«, räumte Rebecca ein. »So jemanden wie dich sollte jeder zur Freundin haben. Aber ich würde mich von ihr lieber fernhalten. Sie ist eine Eigenbrötlerin.«
Penny lachte. »Fast hätte ich meine Muffins wieder zurückgefordert. Außerdem hat sie eine Schwester, die kann sie auch anrufen, wenn es nötig ist.«
Rebecca leerte ihren Manhattan. »Eine Schwester? Woher weißt du das?«
»Ach, ich hab hinter ihr im Flur ein Spielzeugauto gesehen und ihr gesagt, ich sei eine gute Babysitterin. Da hat sie mir erzählt, dass das Auto dem Jungen ihrer Schwester gehöre. Sie hat ihr beim Umzug geholfen und das Spielzeugauto vergessen.«
»Komisch«, antwortete Rebecca. »Als ich ihr die Schlüssel gab, sagte sie mir, sie sei mit ihrer Lektorin verabredet und komme erst spätabends an. Am nächsten Morgen bin ich vorbeigefahren und habe nur ihren Wagen in der Einfahrt gesehen. Sonst nichts. Ihre Schwester und deren Sohn müssen also später gekommen sein.«
»Vielleicht gibt es gar keine Schwester, und sie spielt selbst gern mit solchen Autos«, lachte Penny. »Ich sag dir eins, wer sich so eklig benimmt wie sie, der hat nicht viele Freunde.«
Sie stand auf, griff zum Cocktail-Shaker und teilte den letzten Rest Manhattan zwischen ihnen beiden auf. »Das Essen ist gleich fertig. Setzen wir uns schon mal. Ich möchte aber unbedingt noch die 18.30-Uhr-Nachrichten sehen. Ich will doch wissen, ob sie schon diese Verrückte geschnappt haben, die ihr eigenes Kind entführt hat. Kaum zu glauben, dass die noch immer frei herumläuft.«
»Ja, unglaublich«, stimmte Rebecca zu.
Wie erwartet waren die Fotos, die angeblich Alexandra Moreland zeigten, wie sie Matthew aus dem Buggy nahm, das Hauptthema der Nachrichten. »Was hat sie mit dem armen Kind bloß gemacht?«, seufzte Penny, während sie sich über das saftige Schmorfleisch hermachte.
»Moreland wäre nicht die erste Mutter, die ihr eigenes Kind tötet«, sagte Rebecca. »Meinst du, die ist verrückt genug, um so was zu tun?«
Penny antwortete nicht. Irgendetwas an diesen Fotos irritierte sie. Aber was?, fragte sie sich. Doch dann war der Beitrag über das vermisste Kind zu Ende, und mit einem Schulterzucken schaltete sie den Fernseher aus. »Wer will schon drei Minuten Werbung für Sexpillen und Nasensprays sehen?«, sagte sie zu Rebecca. »Wenn man hört, was dieses Zeug alles anrichtet, Herzinfarkte und Magengeschwüre und Schlaganfälle, da fragt man sich, welcher Trottel so etwas bloß kauft.«
Während des restlichen Essens plauderten die beiden Freundinnen über Bekannte in der Stadt, und das leichte Unbehagen, das Penny beim Anblick der Fotos empfunden hatte, war bald wieder vergessen.
30
Das Meeting
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