Ich fühle was, was du nicht siehst - Mallery, S: Ich fühle was, was du nicht siehst
Buch signieren lassen wollte.
Liz trank einen Schluck Wasser, um sich dann gleich wieder ihren Lesern zu widmen. Jeder Einzelne war wichtig. Sie wollte wissen, was die Menschen von ihren Geschichten hielten und was sie am meisten mitriss und berührte. Ihre Leser waren der Grund, warum sie Schriftstellerin war.
Eine halbe Stunde später hatte sich die Menge etwas gelichtet. Liz konnte das Ende der Schlange jetzt bereits sehen – was gut war, denn langsam gingen ihr die Bücher aus. Eigentlich hatte sie insgeheim damit gerechnet, dass Ethan und Tyler irgendwann kommen würden, doch bis jetzt war keiner von beiden aufgetaucht. Als sie wieder aufsah, um nach ihnen Ausschau zu halten, bemerkte sie einen großen, dünnen Mann, der als Letzter in der Schlange wartete.
Was Liz besonders auffiel, war sein starrer Blick. Er fixierte sie dermaßen intensiv, dass ihr sofort unbehaglich zumute wurde. Nach ein paar Sekunden sah sie weg.
Sie schüttelte das Gefühl ab, lächelte die Frau an, die als Nächste dran war, und setzte die Signierstunde fort. Es war schon nach sechs, als Montana flüsterte. „Jetzt kommt der Letzte.”
„Hallo Liz.”
Sie schaute auf. Vor ihr stand der dünne Mann, bei dessen Anblick sie vorhin sofort ein ungutes Gefühl gehabt hatte. Er hatte mittelbraune Haare und wässrig blaue Augen. Seine Haut war blass, und er hatte irgendetwas an sich, das Liz Angst machte.
„Hi.” Sie zwang sich, fröhlich zu klingen, „Ich hoffe, Sie mussten sich nicht allzu lange anstellen.”
„Überhaupt nicht, Ich wollte Sie unbedingt sehen. Mit Ihnen reden, Ich hätte ewig gewartet.”
„Danke. Möchten Sie, dass ich Ihnen ein Buch signiere?”
„Ich habe bereits alle Ihre Bücher.” Er kam langsam näher. „Ich dachte, wir könnten den Tag gemeinsam ausklingen lassen.” Er betonte das Wort gemeinsam auf ganz merkwürdige Art und Weise. „Würde Ihnen das gefallen?”
Liz sah sich suchend nach Montana um. Doch ihre Freundin war gerade von einem der freiwilligen Helfer beiseite genommen worden. Kein Mensch schien zu merken, was gerade passierte.
Was schon in Ordnung geht, dachte Liz. Jeder Autor hatte ein paar verrückte Fans. Wichtig war, jetzt nicht überzureagieren.
„Vielen Dank für das Angebot, aber ich habe bereits etwas vor”, antwortete sie ruhig. „Soll ich Ihnen wirklich kein Buch signieren?”
In seinen Augen blitzte irgendetwas auf. Zorn. Nein, das stimmte nicht. Es war mehr als Zorn.
„Wie wäre es mit einem Foto?”, fragte er.
„Klar.”
Sie erhob sich. Dann blieb sie zögernd stehen. Normalerweise ging sie um den Bücherstand herum, um sich neben ihren Fan zu stellen. Doch in diesem Fall hatte sie bei dieser Vorstellung kein gutes Gefühl.
„Machen Sie doch eines nur von mir”, sagte sie. Es klang weniger wie ein Vorschlag, sondern mehr wie ein Befehl.
„Sicher.”
Doch statt eine Kamera auf sie zu richten, packte er sie am Arm. Es kam so überraschend, dass Liz nicht einmal reagieren konnte. Sie starrte einfach nur auf die Hand auf ihrem Arm.
„Wir gehören zusammen”, sagte er. „Für immer.”
Es dauerte eine Nanosekunde, bis Liz bewusst wurde, was er gerade gesagt hatte. Dann konnte sie endlich reagieren.
„Lassen Sie mich gefälligst los. Verschwinden Sie!”, schrie sie so laut sie konnte und riss sich von ihm los.
Er packte sie wieder und stürzte sich auf sie. Liz nahm eine der letzten Hardcover-Ausgaben, die noch übrig waren, und begann sich damit zu wehren.
„Verschwinden Sie!”, schrie sie wieder und schlug ihm auf die Schulter, auf die Hände und auf den Kopf. „Lassen Sie mich los!”
Er warf sich auf sie und riss sie zu Boden. „Halt den Mund”, zischte er und drückte ihren Kopf brutal ins Gras. „Halt den Mund, halt den Mund, halt den Mund.”
Plötzlich waren überall Menschen. Liz nahm nur dunkle Schatten über sich wahr, dann bekam sie keine Luft mehr. Hustend und nach Atem ringend setzte sie sich auf, drehte sich zur Seite, sodass sie sich mit den Händen abstützen konnte, und rang verzweifelt nach Luft. Ihr Hals und ihre Augen brannten.
Eine vertraute Stimme sagte, dass sie sich entspannen müsse. Ethan.
Sie drehte sich zu ihm. Wegen der Tränen in ihren Augen konnte sie ihn nur verschwommen erkennen. „W...was?”, krächzte sie.
„Pfefferspray.” Er legte ihr sanft eine Hand auf den Rücken. „Es wird gleich besser.”
„Pfefferspray?”
„Du bist Opfer deiner eigenen Befreiungsaktion.” Er deutete nach
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