Ich fühle was, was du nicht siehst - Mallery, S: Ich fühle was, was du nicht siehst
weitergegangen?”
„Er hat sich einen Tag vor Prozessbeginn das Leben genommen.”
Liz fiel die Gabel aus der Hand. „Pia ... Es tut mir so leid.”
„Es ist lange her.”
„Das macht es für dich auch nicht leichter, damit fertig zu werden.”
Pia sah sie an und lächelte schwach. „Es macht es leichter zu vergessen. Außerdem war ich ein richtiges Biest an der Highschool. Vielleicht habe ich es verdient.”
„Nein, das hast du nicht verdient. Es tut mir wirklich sehr leid.”
„Leid genug, dass du mir die Sache mit Ethan, nackt im Bett, nicht mehr vorhältst?”
Liz nickte. „Richtig böse war ich dir nie.”
„Ich bin ein ungefährlicheres Angriffsobjekt als Ethan. Stimmt’s oder habe ich recht?”
Liz zuckte die Achseln. „Und du bist so einsichtig. Das ist richtig ärgerlich.”
Pias Lächeln kam nun von Herzen. „An dieser Stelle sollten wir vermutlich sagen, dass wir neu anfangen und wirklich miteinander befreundet sein wollen.”
Liz dachte an alles, was in ihrem Leben gerade vor sich ging. Daran, dass es niemanden gab, mit dem sie reden konnte. Und wie nett es wäre, jemanden auf ihrer Seite zu haben.
„Das würde mir gefallen”, gab sie zu.
Pia seufzte. „Du musst der Stadt eine Chance geben. Ich weiß, dass einiges passiert ist, aber die Leute hier werden dich unterstützen, wenn du ihnen nur etwas Zeit gibst.”
„Nein, danke. Auf dieses Märchen vom Kleinstadtglück falle ich nicht herein.”
„Vielleicht schaffen wir es ja, dass du deine Meinung änderst.”
„Eher friert die Hölle zu.”
Pia lachte. „Man kann nie wissen.”
10. KAPITEL
N ach ein paar Tagen hatte Liz eine gewisse Routine entwickelt. Die Arbeiter erschienen jeden Morgen und sorgten für beeindruckende Fortschritte am Haus – eine Tatsache, die Liz überraschte. Sie hatte bereits überlegt, ob Ethan seine Leuten möglicherweise angewiesen hatte, langsam zu arbeiten. Doch das war offensichtlich nicht der Fall gewesen. Die Kinder hatten sich an den Rhythmus des Tagescamps gewöhnt, nahmen jeden Morgen den Bus den Berg hinauf und fuhren jeden Nachmittag wieder damit zurück.
Sie alle liebten ihr Ferienprogramm. Vor allem Melissa, die sich bereits zwei Abende lang im Internet über die USC-Filmakademie schlaugemacht hatte, war begeistert. Ethan hatte sich zwei Mal mit Tyler getroffen, was Liz unterstützt hatte. Er hatte auch versucht, mit ihr zu reden. Das wiederum hatte sie verweigert. Trotz seiner Entschuldigung war sie immer noch gekränkt, was er zu seiner Mutter gesagt hatte. Zu hören, dass sie ihm nicht wichtig war, hätte sie nicht überraschen dürfen. Doch diese Erkenntnis nahm seinen Worten nicht den Stachel.
Ethan war ihr wunder Punkt. Hier, in der Stadt, während eines Spaziergangs am See an einem sonnigen Morgen, konnte sie sich diese Wahrheit eingestehen. Vielleicht lag es daran, dass er der erste Mann war, den sie je geliebt und mit dem sie geschlafen hatte. Vielleicht daran, dass sie miteinander ein Kind hatten. Was auch immer der Grund sein mochte – alles, was er tat, ging ihr so nahe wie bei niemandem sonst. In seiner Gegenwart war sie verletzlich. Und das machte ihn gefährlich.
Ihm aus dem Weg zu gehen war vielleicht nicht gerade die erwachsenste Lösung, aber es war die am wenigsten riskante.
Liz sah auf ihre Uhr. Sie hatte heute Morgen an ihrem Buch weitergearbeitet und sich mit diesem Spaziergang dafür belohnt. Aber jetzt war es Zeit, an ihren Laptop zurückzukehren und die Seiten, die sie geschrieben hatte, zu überarbeiten. Damit der Text besser, pointierter wurde.
Sie schlug den schmalen Weg ein, der zurück in die Stadt führte, und überlegte, ob sie sich unterwegs noch einen Caffe Latte gönnen sollte. Das Koffein würde sie aufputschen und ihr die nötige Energie geben, um sich durch die Seiten zu kämpfen. Sie hatte es kaum bis zur Straßenecke geschafft, als jemand ihren Namen rief. Liz drehte sich um und sah Montana, die ihr zuwinkte.
Ethan mochte derzeit zwar nicht unbedingt Liz’ Lieblingsmensch sein, doch beim Anblick seiner Schwester musste sie lächeln. Montana war immer fröhlich und aufgekratzt. Und an manchen Tagen war ein wenig Fröhlichkeit das denkbar schönste Geschenk.
„Gönnst du dir ein bisschen Erholung?”, fragte Montana, als sie auf Liz zukam. „Ich brauche dringend einen Kaffee. Ich war die ganze Nacht wach und habe gelesen. Manche Bücher sind so fantastisch, dass man nicht aufhören kann, obwohl es schon spät ist und einem die
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