Ich fühle was, was du nicht siehst - Mallery, S: Ich fühle was, was du nicht siehst
seine Schattenseiten.”
„Verrückte Fans?”
„Ich bin sicher, dass ich ein paar habe. Aber das größere Problem ist, was die Leute über mich denken. Die Erwartungen, die sie an mich stellen.”
Montana beugte sich zu ihr vor. „Mit Leuten meinst du Männer.”
Liz lachte. „Musst du ausgerechnet jetzt so aufmerksam zuhören?”
„Es ist eine Begabung von mir. Wer ist er?”
Liz zögerte. Dann beschloss sie, dass es ihr nichts ausmachte, es zu erzählen – selbst wenn die Geschichte sie dumm aussehen ließ. „Er heißt Ryan. Er ist auch Schriftsteller, was mir von Anfang an hätte zu denken geben sollen. Als wir uns kennengelernt haben, hatte er gerade zwei klassische Romane über das Erwachsenwerden veröffentlicht. Er ist eine Art Nick Hornby für Arme – ohne auch nur annähernd so gut zu sein. Aber er hatte immerhin einen bescheidenen Erfolg mit diesen Büchern. Wir haben uns auf einer Party für einen anderen Autor getroffen. Er war charmant, und ich war ...” Sie atmete tief durch. „Ich war einsam.”
„Wie lange ist das her?”
„Ungefähr vier Jahre. Ich war eine alleinerziehende Mutter, ich hatte es geschafft, mein erstes Buch zu veröffentlichen – aber obwohl es sich gut verkauft hat, war es doch nur ein erstes Buch. Ich wusste nicht, ob es der Beginn einer Karriere oder nur ein einmaliger Glückstreffer war. Unseren Lebensunterhalt habe ich damals immer noch als Kellnerin verdient. Geschrieben habe ich nachts. Vier Stunden Schlaf mussten genügen.” Liz zuckte die Achseln, dann erzählte sie weiter. „Auf der Party haben wir uns unterhalten und Telefonnummern ausgetauscht. Ich habe der Sache nicht viel Bedeutung beigemessen. Dann habe ich drei Monate nichts von ihm gehört. Er hat damals gesagt, er wäre viel unterwegs gewesen, um sich Inspirationen für sein nächstes Buch zu holen.” Sie kräuselte die Nase. „Später ist mir klar geworden, dass er abgewartet hat, wie sich mein zweites Buch verkauft.”
Montana sah sie mit großen Augen an. „Das ist ja unglaublich.”
„Genau. Ich nehme an, ich hätte nie mehr etwas von ihm gehört, wenn das Buch ein Flop geworden wäre.”
„Was für ein Idiot.”
„Ein sehr sanfter, gut aussehender Idiot.” Liz erinnerte sich, wie fasziniert sie beim ersten Date von ihm gewesen war. Ryan hätte nicht aufmerksamer und einnehmender sein können. Ganz abgesehen davon, dass er witzig, charmant und vieles mehr gewesen war. Er konnte auch fantastisch mit Tyler umgehen. In Wahrheit hatte er ihr und ihrem Kind etwas vorgemacht, und sie hatte es nicht durchschaut.
„Er war alles, was ich mir nur wünschen konnte. Ich war verrückt nach ihm. Wir haben uns verlobt.”
„Du warst verheiratet?” Montana schnappte nach Luft.
„Nein. Von Hochzeit war seltsamerweise nie die Rede. Was gut war, wie sich später herausstellen sollte. Er ist irgendwann nach New York geflogen, um sich wegen seines neuen Buchs mit seinem Verleger zu treffen. Mir wollte er nicht sagen, worum es ging, aber das war schon in Ordnung. So war er einfach. Während er weg war, habe ich seine Pflanzen gegossen.”
Liz stützte sich mit den Unterarmen auf den Tisch. „Okay, ich gebe zu, dass ich wirklich neugierig auf das Buch war, das er gerade geschrieben hat. Er war so aufgeregt darüber, und sein vorheriges Buch war ein Flop gewesen. Ich habe ihm sehr gewünscht, dass es diesmal klappt.”
Um Montanas Mund zuckte es verräterisch. Offenbar musste sie sich ein Lächeln verkneifen. „Du hast herumgeschnüffelt.”
„Ich bin nicht gerade stolz darauf, aber ja, es stimmt. Auf seinem Schreitisch lagen ein paar Seiten seines Manuskripts, und ich habe sie gelesen.”
„Es war nicht besonders gut?”, fragte Montana mitfühlend.
„Schlimmer. Es war nicht sein eigenes. Er hat meine Idee gestohlen. Im Gegensatz zu ihm rede ich über die Handlung meiner Romane. Ich gehe dann schon mal so ins Detail, dass es andere Leute nervt. Es ist meine Art, die Geschichte durchzudenken, bevor ich mit dem Schreiben anfange. Er wusste also alles, was ich mir ausgedacht habe. Er hat die ganze Handlung geklaut, die Namen der Figuren verändert und den Roman geschrieben. Ohne ein Wort zu sagen.”
Liz erinnerte sich noch daran, wie sie in Ryans Arbeitszimmer gestanden und nichts als ein Rauschen gehört hatte. Sie hatte sich schon gefragt, ob etwas mit ihrem Kopf nicht stimmte oder sie eventuell gerade einen Schlaganfall erlitt. Denn das, was sie gerade erlebte, ergab keinen Sinn. Es
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