Ich gab mein Herz fuer Afrika
zugewankt.
Joan war als Erste an der Reihe. Der Bulle rammte die rechte Seite ihrer Sauerstoffflasche, schob seine gewaltige Schnauze unter sie und schleuderte Joan einfach aus dem Wasser wie einen Vogel, den er von seiner Nase verscheuchte. Als sie wieder hinunterfiel, merkte sie, dass Wasser in ihr Mundstück eindrang, und stieg auf, um es zu richten. Es war so schnell gegangen, darum hatte sie gar nicht mitbekommen, dass das Flusspferd ihr mit einem Eckzahn die Taucherbrille durchstoßen hatte, direkt unter dem rechten Auge. Nur wenige Millimeter höher, und Auge, Gesicht oder Schädel hätten ernsthaft Schaden nehmen können.
Danach griff der Bulle Alan an, und zwar noch heftiger. Der erste Stoß warf Alan auf den Rücken. Der Bulle attackierte ihn weiter, und Alan merkte plötzlich: »Er hatte mein rechtes Bein im Maul, das spürte ich.«
Blut strömte in alle Richtungen. Das Flusspferd wackelte mit seinem gewaltigen Kopf und schüttelte Alan »wie eine Ratte«, erinnerte er sich. »Mir war genau bewusst, was passierte, jede Kleinigkeit … Er hatte mein Bein im Maul, der linke Eckzahn durchbohrte die Wade. Während mein Fuß und der Knöchel zwischen seinen Backenzähnen klemmten, spürte ich am Oberschenkel die Haare an seinem Kinn.« Kurz darauf ließ das Flusspferd von ihm ab und schwamm davon. Alan
blieb noch unter Wasser, bis er das Gefühl hatte, die Luft sei rein. Als er schließlich auftauchte, stand Joan knapp sieben Meter entfernt.
»Verdammt! Es hat mich gebissen!«, rief Alan. Joan schrie auf und kam ihm entgegen.
»Nein!«, rief Alan. »Raus aus dem Wasser!«
Er schwamm durch sein eigenes Blut und dachte an das über drei Meter lange Krokodil, das ihnen in der letzten Woche immer dreister aufgelauert hatte. Joan und Alan wurden zu einer nahe gelegenen Lodge gefahren, wo sie einen Land Rover organisierten, der sie nach Kilaguni brachte. Von dort flogen sie zurück nach Nairobi. Keine drei Stunden hatte es gedauert, bis er sich in einer vertrauten Umgebung befand: der Notaufnahme des Nairobi Hospital. Er bekam Wundbrand an dem stattlichen Loch in der Wade, das er abwechselnd als »so groß wie ein Hamburger« und »so groß, dass man eine Colaflasche durchschieben könnte« beschrieb.
In einem Brief berichtete Alan Freunden von seiner Genesung: »Mann, ich hatte wirklich Fieber! Man hat mir ja durchaus schon mal das Laken gewechselt, wenn ich schwitzte, aber noch nie die Matratze! Und zwischen den Hitzewallungen brauchte ich eine Heizdecke, um mich zu wärmen. Nach drei Tagen, zehn Litern Salzlösung, viereinhalb Litern Blut, mehreren Millionen Einheiten Penizillin intravenös … erklärten sie mich für gesund.«
Zwei Wochen später begann eine Reihe schmerzhafter Hauttransplantationen. Die Haut wurde »von meiner rechten Pobacke« genommen, schrieb er einem Freund. »Das ist ein hübsches Gegengewicht zu dem Leopardenbiss
auf der anderen Seite, aber leider wird nur eine kleine Narbe bleiben, kaum wert, sie herzuzeigen.«
Als alles vorbei war, blieb ihm eine mächtige, fleckige Narbe auf der Wade, wo das Flusspferd ihn gebissen hatte. Sie war groß und hässlich – und eindeutig wert, sie herzuzeigen. 193
Da er in Naivasha drei Monate lang ans Bett gefesselt war, hatte Alan endlich Zeit, ihr nächstes Projekt zu planen. Es sollte eine Abkehr von den für sie charakteristischen epischen Werken werden, in denen große Himmel, große Herden, große Berge und große Gefahren gezeigt wurden. Diesmal wollten sich die Roots auf etwas Kleines verlegen – auf Mikroskopisches gar. Sie beschlossen, ein Jahr lang Termiten in einem der dürren, fünf Meter hohen Lehmtürme zu dokumentieren, die die Insekten in völliger Dunkelheit errichten, um ihren Nachwuchs großzuziehen.
Das Land der Termiten lag westlich vom Baringosee, in Nordkenia. Zu Beginn der Regenzeit schwärmen die Insekten aus winzigen Schlitzen in ihren Bauten aus und fliegen davon, um neue Kolonien zu gründen. Um den für Filmaufnahmen am besten geeigneten Termitenhügel zu finden, setzte sich Alan auf die Motorhaube des Land Rovers und richtete die Kamera wild in sämtliche Richtungen, während er Joan zum nächsten Ziel dirigierte. Sie einigten sich auf eine Stelle und beobachteten die Bauten Tag und Nacht. Ihr Lager hatten sie in der Nähe des Pokot-Stammes aufgeschlagen, dessen Angehörige Termiten aßen, die sie mit Kuhblut hinunterspülten.
Die architektonischen Wunderwerke aus Lehm ragten hoch auf, und in jedem dieser
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