Ich gab mein Herz fuer Afrika
Bauten gedieh ein winziges Universum mit einer komplizierten Sozialstruktur. Alan und Joan warteten wochenlang auf den Höhepunkt, das Ausschwärmen, und waren bestens vorbereitet. Die meisten Termitenhügel in der Gegend schwärmten gleichzeitig aus, aber ausgerechnet derjenige nicht, den sie mit ihren Scheinwerfern und Kameras umstellt hatten. Joan betrachtete das Schwirren um sie herum, nahm eine Taschenlampe und suchte nach etwas, irgendetwas, das Alan filmen könnte, während ein riesiger Schwarm Termiten ihre Haare, Ohren und den Mund bedeckte.
In der folgenden Nacht wurden alle ihre Scheinwerfer bei einem Unwetter nass, und die speziellen Glühbirnen gingen kaputt, mit denen sie die hitzeempfindlichen Termiten beleuchteten und schützten. Beim dritten Versuch gelang es ihnen, einen Termitenhügel zu filmen, aus dem die Insekten gerade schlüpften, von Anfang bis zum Ende – schon nach zehn Minuten war alles vorbei. Im fertigen Film wurden die geflügelten Termiten beschrieben als »Prinzen und Prinzessinnen, die genau wie Aschenbrödel nur eine einzige magische Nacht haben, bevor sie in die Welt der Dunkelheit und Mühsal zurückkehren«. Um das Innere des Baus zu filmen, verlegten Joan und Alan Teile davon in ein Bauernhaus, wo sie das komplizierte Innenleben aufnahmen und auch die Königin, die dreißigtausend Eier pro Tag legt. »Zehn Zentimeter lang und dick wie ein Männerdaumen ragt dieses groteske Wesen über den Arbeitern auf, die es
versorgen. Neben ihrer Königin sehen die Arbeiter aus wie eine Bodenmannschaft, die ein halb aufgeblasenes Luftschiff bedient.« Mit OP-tauglichen Lampen, die die wabenähnlichen Behausungen anstrahlten, filmten sie alles, von den Pilzgärten in dem Hügel über das Ventilationssystem bis zu den winzigen Termiten, die ihre noch winzigeren Jungen fütterten. »Die Zuschauer merken gar nicht, wie viele Stunden es gedauert hat, jede Einstellung zu drehen«, schrieb Joan. 194
Die Führungskräfte von Anglia waren ganz wild nach dem Film, dem sie den Titel Mysterious Castles of Clay gaben. Die Aufregung wurde noch größer, als sich die Hollywood-Ikone Orson Welles als Sprecher für die amerikanische Ausgabe des Films verpflichten ließ. Er bekam einen Peabody Award und eine Oscar-Nominierung für den Besten Dokumentarfilm im Jahr 1978.
Alans und Joans Freund, der Autor John Heminway, schrieb voller Bewunderung:
Castles of Clay ist künstlerisch ebenso großartig wie The Year of the Wildebeest; und er steckt voller Geheimnisse – ganze Welten, die dem Blick des Menschen verborgen bleiben, Leben innerhalb von Leben. Ein sonst immer sehr bissiger Kritiker vom Manchester Guardian ging über das übliche Lob hinaus: »Mein Interesse an der Termite als solcher ist begrenzt. Nichtsdestotrotz halte ich Castles of Clay … für den besten Tierfilm, den ich je gesehen habe. Und weil selbst dieses Lob noch Einschränkungen beinhaltet, zähle ich ihn zu den besten Filmen, die ich je gesehen habe. Punkt.«
Im Prinzip dreht sich der Root-Film um Folgendes: Unter einem scheinbar unbelebten Objekt verborgen befindet sich die Kommandozentrale einer hochentwickelten Lebensform. Am Ende möchte man beinahe meinen, dass die Menschen neben den Termiten eine dumpfe und geistlose Spezies sind … 195
Geduld. Darin lag ihr Geheimnis. »Manchmal versucht man es Tag um Tag und bekommt nichts vor die Kamera«, erzählte Alan einmal einer Zeitschrift. »Es ist wie Glücksspiel.« Der Filmemacher und sein Ein-Frau-Team warteten geduldig auf die Vorstellung der Tiere, während sie in ihrem Land Rover quer durch Afrika fuhren, Neil Diamond hörten, Romane von Harold Robbins lasen und die Natur um sie herum zum Leben erwachte. Sie hatten zwei Jahre damit zugebracht, die jahreszeitlichen Veränderungen des Affenbrotbaums für Baobab: Portrait of a Tree zu filmen. Zwei Jahre lang hatten sie darauf gewartet, dass der Rotschnabeltoko in das Nest im Baum zurückkehrte. Dreißig Nächte mussten sie durchhalten, bis die Termiten schlüpften.
»Die Roots sind vielleicht die Letzten ihrer Art«, schrieb ihre Freundin Delta Willis. »Der rapide Eingriff der Zivilisation in die afrikanische Wildnis bedeutet, dass es ›für die nächste Generation viel schwieriger wird, ein solches Leben zu führen‹, sagt Alan. Das ist einer der Gründe, weshalb er und Joan vorhaben, einen Großteil dieses Jahrzehnts, ›die produktivsten Jahre unseres Lebens‹ … damit zu verbringen, die vielen wilden Tiere zu filmen,
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