Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
Wege so schnell wie möglich sagen, was für eine großartige junge Frau Du bist und was für großartige Geschwister Du hast. Eure Besuche bei mir haben auf mich eine ungeheuer positive Ausstrahlung. Das zeigt sich jetzt gerade wieder, Du bist noch hier, während ich das schreibe. Ihr seid mehr als mein Leben.
Das macht mich an dieser Stelle auch sehr verletzlich. Der Gedanke, dass es Euch nicht gut gehen könnte, ist unerträglich. Bitte sorgt deshalb für Euch, so gut es irgend geht. Ich kann vorübergehend so gut wie kaum helfen.
Das mag möglicherweise besser werden, wenn sich unsere Kommunikationsmöglichkeiten verbessern, ich hoffe das jedenfalls sehr. Ihr seid einer enormen Belastung durch meine Situation ausgesetzt. Aber ich weiß auch um Eure Stärke und darum, dass Ihr Hilfe von Christiane, Jan und vielen anderen habt. Glaube mir, dass ich daraus die allermeiste Zuversicht gewinne. Ich habe Euch wahrlich keine einfachen Aufgaben in Hamburg zurückgelassen, aber ich habe mit dieser Entwicklung auch nicht gerechnet. Ich weiß spätestens seit Deinem Besuch, dass Ihr, oder vielleicht besser: wir alles schaffen werden, was es zu schaffen gibt, und das ist sehr gut so! Ich liebe Euch über alles!»
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Sheriff Ken Jenne ist mir im Broward County Jail zwei oder drei Mal über den Weg gelaufen. Der Gefängnisdirektor trug im Dienst stets eines jener körperbetonten Sweatshirts, in denen auch seine Bediensteten herumliefen. Auffällig prangte darauf das Logo des Browards Sheriff’s Office BSO: Ein fünfzackiger Stern in einem Kreis. Im Zentrum des Emblems stand die etwas rätselhafte Abbildung eines Mannes in der freien Natur. Im unteren Halbkreis war fett der Name des BSO-Chefs zu lesen: Sheriff Ken Jenne.
Ein gutes Jahr später, im September 2007, warf ein Artikel im «Miami Herald» die Frage auf, was mit Tausenden Sweatshirts und Schreibutensilien, mit Millionen Briefbögen und Formularen passieren sollte, die mit dem Namen dieses Sheriffs bedruckt worden waren: Denn Ken Jenne war wegen des Vorwurfes der Korruption zurückgetreten. Und er war zu einer Haftstrafe verurteilt worden.
Sheriff Ken Jenne hatte ein plea agreement unterschrieben, nachdem eine umfangreiche Anklageschrift gegen ihn vorlag. Er bekannte sich der Steuerhinterziehung und des Betruges schuldig und entkam so einem wesentlich umfangreicheren Gerichtsverfahren, in dem es um Schmiergeldzahlungen und Geldwäsche gehen sollte. Er hatte, so die Anklage, von den Herstellern von Sicherheitstechnik, von Immobilienmaklern und privaten Wachdiensten beträchtliche Zahlungen dafür erhalten, dass er sie mit Aufträgen versorgte.
Ken Jenne war 18 Jahre lang demokratischer Senator in Florida gewesen, bevor er Sheriff wurde. Sowohl als Politiker wie auch als Polizeichef galt er als einer der mächtigsten Männer im Broward County. Es wäre bestimmt sehr interessant gewesen, seine Geschäfte und Geschäftspartner in einem Gerichtsverfahren zu durchleuchten, aber dazu kam es infolge des plea agreement nicht.
Seine Strafe wurde auf ein Jahr und einen Tag festgesetzt. Dieses seltsame Strafmaß war nicht ohne Grund gewählt: Denn nur bei Haftstrafen von über einem Jahr können dem Verurteilten 15 Prozent Rabatt (good time) eingeräumt werden. Jenne trat seine Strafe im November 2007 im FDC Miami an – einer Anstalt, die ich ja auch kennengelernt habe. Er wurde später in ein anderes Gefängnis verlegt und von all jenen, deren Rache er fürchten musste, sorgfältig abgeschirmt. Und das waren bestimmt nicht wenige.
Das Broward Sheriff’s Office ist einer der größten Arbeitgeber in Florida. In Personalunion bekleidete Ken Jenne darin die Positionen als Polizeichef, als Direktor der Strafanstalten im Broward County und als Chef der örtlichen Feuerwehr. Das BSO wirtschaftet im Prinzip wie ein privates Unternehmen: Seine Erträge wachsen mit möglichst hohen Belegungszahlen in den Haftanstalten. Jennes Polizisten verhafteten also die Männer und Frauen, für die Jennes Gefängnisse Tagessätze in Rechnung stellen konnten. Je länger die Liste der Anklagepunkte, die gegen die Insassen vorlagen, desto besser für die Bilanzen: Der Tagessatz, der für einen Strafgefangenen kassiert werden kann, steigt mit der Zahl seiner angeblichen Taten. Wahrscheinlich funktionierte auch der Einsatz der firefighters im Broward County Jail mit verlässlich hoher Geschwindigkeit, weil das dem BSO eine weitere Möglichkeit bot, an uns Gefangenen Geld zu verdienen.
Dass
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