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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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etwas gequältes «Wir tun ja schon, was wir können!».
    Es gab draußen Menschen, die sich hervorragend um all meine Belange kümmerten – und ich musste mich damit abfinden, dass ich dazu wenig beitragen konnte. «So beschissen es ist, hier in den USA im Knast zu sitzen, etwas Gutes hat es für mich», schrieb ich an einen Freund, «ich habe jetzt eine Zwangspause einlegen müssen und werde zu der Erkenntnis gezwungen, dass es durchaus auch ohne mich geht, weil es einfach ohne mich gehen muss. Ich kann Dir nur sagen, dass sich bei mir jede Menge ändern wird, wenn ich zurück bin. Was immer mit mir hier passieren wird, diese Gelegenheit kommt für mich vielleicht nicht so schnell wieder, mich grundsätzlich in Bereichen neu zu orientieren.»
    Ich hatte das, was mir immer gefehlt hatte, plötzlich im Überfluss: Zeit. Ich begann Pläne zu schmieden, nicht nur für das Leben nach meiner Entlassung, sondern auch für meine weitere Haftzeit. Ich würde beginnen, ein Buch über Gitarren zu schreiben – eigentlich hatte ich das schon so lange vor! Ich beauftragte meine Söhne, schon einmal herauszufinden, welche Arbeitsmöglichkeiten es in den verschiedenen Strafanstalten gab, die für mich in Frage kamen: Internet? Eine Bibliothek? Möglichkeiten, Musik zu machen?
    Ein alter Freund schrieb mir, ihm sei etwas aufgefallen: In meinen Briefen sei Anteilnahme und Interesse am Leben anderer zu spüren. So etwas habe er bei mir schon seit vielen Jahren nicht mehr wahrgenommen. Er hatte leider recht. Ich antwortete ihm: «Für mich hat sich einiges geändert und ich habe mich selbst geändert. Das betrifft nicht nur die äußeren Umstände durch das Eingesperrtsein, das Briefeschreiben, es hat für mich auch Veränderungen der Wertvorstellungen gegeben. Das hat sehr früh nach der Inhaftierung mit den kleinen Dingen angefangen: z.   B. die Wertschätzung eines Styropor-Bechers, den man zum Trinken von Wasser hier benutzt. Nichts ist selbstverständlich und gewinnt dadurch eine ganz andere Bedeutung als zu Hause (so insbesondere das Essen). Bei den kleinen Dingen bleibt es aber nicht, da ist dann sehr schnell das im Fokus, was Du richtig mit ‹Anteilnahme› und ‹Kommunikation› bezeichnest. In der Tat, es ist bedauerlich, dass es erst eines Gefängnisaufenthaltes bedurfte, um solche Prozesse auf den Weg zu bringen, aber in diesem Satz steckt auch, dass diese Prozesse etwas außerordentlich Positives sind, eine Chance, die nicht einfach vertan werden darf!»
    Ende Juli verbrachte meine Tochter Lisa zwei Wochen in unserem Haus auf Mallorca. Von dort schickte sie mir eine Ansichtskarte. «Der Weg ist sehr steinig und irgendwie bedrohlich, doch ist die Aussicht klar und wunderschön: unendlicher Horizont und grenzenlose Freiheit», schrieb sie über eine Wanderung, die sie dort gemacht hatte. Etwas Besseres hätte sie über die Situation, die wir alle gemeinsam und doch voneinander getrennt zu bewältigen hatten, nicht sagen können.
    Ich antwortete ihr: «Ja, manchmal ist ein Weg beschwerlich. Ich freue mich umso mehr darauf, wieder bei Euch zu sein. Es gibt wirklich eine klare und wunderschöne Aussicht.»

    Am 10. August 2006 war es so weit: An diesem Tag, rund sieben Monate nach meiner Verhaftung, würde darüber entschieden, wie lange ich im Gefängnis bleiben musste. Bei uns allen lagen die Nerven blank. Wir hatten alles getan, was zur Vorbereitung dieses letzten, entscheidenden Gerichtstermins getan werden konnte.
    Da war zunächst einmal der sogenannte Presentence Investigation Report (PSI-Report) ,der in den 70 Tagen zwischen Schuldspruch und Festlegung des Strafmaßes erstellt wird. Dies übernimmt der probation officer , in meinem Fall eine taffe junge Frau namens Kathrin Gomez. Als diese ihren Besuch ankündigte, wusste ich schon, dass es nicht darum ging, mit der Dame unverbindlich zu plaudern und dabei einen guten Eindruck zu machen. Alles, was ich in diesem Gespräch sagte, konnte gegen mich verwendet werden, und deshalb bereitete Jeanne Baker dieses Gespräch akribisch mit mir vor.
    Für den PSI-Report ist es zum Beispiel eine wichtige Frage, ob man bereit ist, Verantwortung für seine Straftat zu übernehmen. Eine solche Form der Reue wirkt sich strafmildernd aus, sie hätte aber in meinem Fall auch als Schuldeingeständnis gewertet werden können. Und ich wollte mir die Möglichkeit, mit einem appeal für einen Freispruch zu kämpfen, auf keinen Fall verbauen. Die Unterhaltung zwischen Kathrin Gomez und

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