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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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zu schreiben und Jan, der neben mir saß zuzuschieben: 48 Monate.» Den Zettel habe ich aufbewahrt, bis heute.
    Am Ende bekam auch ich die Möglichkeit, ein Schlusswort zu sprechen. Und da hatte ich meine Gefühle nicht mehr im Griff. In diesem Augenblick kulminierte alles, was ich in den vergangenen sieben Monaten erlebt hatte, vor allem aber meine Ohnmacht und Wut darüber, in einem mir völlig unverständlichen System gefangen und reiner Willkür ausgeliefert zu sein. Aber auch die Vorwürfe, die ich mir selbst immer wieder wegen der unfassbaren Naivität gemacht hatte, durch die ich in diese Lage geraten war.
    Ich brachte schlicht kein Wort heraus. Jeanne Baker bat das Gericht, mir etwas Zeit zu lassen. Ein paar Minuten später sagte ich dann doch noch etwas: Ich erklärte, dass ich niemals vorgehabt hätte, irgendjemandem etwas zuleide zu tun. Dass ich aber bereit sei, die Verantwortung für den Gesetzesverstoß zu übernehmen, den die Jury festgestellt habe. Und ich bat den Richter, meine Strafe so niedrig festzusetzen, wie es ihm nach rechtlichen Grundsätzen möglich war.
    Unmittelbar nach meinem Statement gab William Dimitrouleas seine Entscheidung druckreif zu Protokoll: 37 Monate. Jan Jütting erinnert sich daran, dass in diesem Augenblick ein schelmisches Lächeln über mein Gesicht huschte. Dies war keine Stunde des Triumphes. Aber zum ersten Mal hatten wir eindeutig gewonnen.

    Die Entscheidung, ob ich angesichts dieser Strafzumessung noch in den appeal gehen sollte, fiel mir leicht. Die Alternative dazu hieß treaty transfer , ein Überstellungsverfahren in die Bundesrepublik Deutschland, das durch ein Straßburger Abkommen von 1983 geregelt ist.
    Ein appeal in den USA hat – ganz ähnlich wie bei uns eine Revision beim Bundesgerichtshof – eine Erfolgsaussicht von weniger als 15 Prozent. Das Verfahren dauert 12 bis 18 Monate und kostet zwischen 50   000 und 150   000 US-Dollar. Wenn ich den appeal gewinnen würde, müsste das Verfahren neu aufgerollt werden: Ich musste dann damit rechnen, sogar länger als 37 Monate in Haft zu bleiben, bis ein erneuter Strafprozess abgeschlossen war! Ein gewonnener appeal bedeutet für beide Seiten zudem neues Spiel und neues Glück. Man kann auch zu einer höheren Strafe verurteilt werden als in der ersten Instanz. Erst dann, wenn das Urteil gegen mich rechtskräftig geworden war, konnte ich beginnen, meine Auslieferung nach Deutschland zu betreiben. Das Treaty-transfer -Verfahren war schneller durchführbar als ein appeal, es kostete weniger Geld, und es hatte recht gute Erfolgsaussichten.
    Meine Entscheidung war schnell getroffen: Ich wollte in diesem Unrechtssystem nicht mehr um meine Rehabilitation, nicht mehr um Gerechtigkeit kämpfen. Ich wollte nur noch so schnell wie möglich nach Hause.

21
    Einige meiner Leidensgenossen hatten es mir schon vorhergesagt: Es ist, als ob ein Schalter umgelegt wird. Wenn du dein Strafmaß kennst, kommst du zum ersten Mal wieder zur Ruhe. Selbst wenn es eine hohe Strafe ist. Du weißt jetzt, woran du bist, und kannst dein Leben – jedenfalls in sehr engen Grenzen – wieder planen.
    Auch mir ging es so. Während meine Freunde in Hamburg sich noch darüber empörten, wie man mich unschuldig für 37 Monate einsperren konnte, spürte ich selbst vor allem Erleichterung. Ich wusste jetzt, dass ich im schlechtesten Fall noch etwa zwei Jahre im Gefängnis sitzen würde – abzüglich 15 Prozent good time wäre meine Strafe im Spätsommer 2008 verbüßt. Alles, was ich jetzt noch auf juristischem Wege erreichen konnte, würde diese Zeitspanne verkürzen. Und ich hoffte, bald in eine Strafvollzugsanstalt vom Level low security zu kommen, in dem ich andere und bessere Beschäftigungsmöglichkeiten hätte. Ich ahnte ja nicht, welche Überraschungen mir noch bevorstanden.
    Am 13. August wurde ich aus dem Broward County Jail wieder ins FDC Miami verlegt, und da ich diese Anstalt schon kannte, war ich froh über die Veränderung. Noch einmal musste ich allerdings eine zermürbende Aufnahmeprozedur über mich ergehen lassen, die sich über zehn oder elf Stunden hinzog. Dann brachten sie mich in den achten Stock des Gefängnishochhauses.

    Aus einem Brief vom September 2006: Zeichnung meiner Zelle im FDC Miami
    «Die Haftbedingungen im FDC Miami sind – ich wusste es ja schon – wesentlich besser als im Broward County Jail . Mir geht es also gut, es gibt hier viele gute Leute. Das durchschnittliche Alter hier im 8. Stock

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