Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
Glücksspielgeschäft war José quasi aufgewachsen; sein Vater hatte ihn als Juniorpartner frühzeitig in den Familienbetrieb einbezogen. Doch schon vor beinahe zwanzig Jahren war der Sohn aus diesem Unternehmen ausgestiegen und hatte begonnen, in Immobilien zu investieren. Das, was man ihm strafrechtlich hätte zur Last legen können, war lange verjährt. Unter der Überschrift «Geldwäsche» wurde ihm aber vorgeworfen, dass er illegal verdientes Geld in legale Geschäfte investiert habe. Aber auch dieses Delikt wäre schon verjährt gewesen – wenn die Staatsanwaltschaft nicht eine höchst eigenwillige Interpretation des Straftatbestandes «Geldwäsche» gefunden hätte: Danach war jede Art von Geschäftstätigkeit, die José seit seinem Ausstieg aus dem Glücksspielgeschäft betrieb, «Geldwäsche», und das quasi für den Rest seines Lebens. Legal hätte sich José demnach nur noch von der staatlichen Wohlfahrt ernähren können.
Da er mit einer Haftstrafe von bis zu 20 Jahren rechnete, reagierte er geradezu euphorisch, als sein PSI-Report eintraf, in dem eine Strafe von 46 bis 57 Monaten vorgeschlagen wurde. Aber er wusste auch, dass schon wieder ein neuer Strafprozess auf ihn zukam. Und er war entschlossen, bis zum Schluss zu kämpfen, weil das government sein gesamtes Vermögen eingefroren hatte. Seine Frau durfte gerade noch gegen Geld ein Shopping-Center managen, das ihm gehörte. José glaubte, dass das government nur das Geld wollte; an den strafrechtlichen Vorwürfen sei entweder nichts dran oder sie seien verjährt. Und nach allem, was ich selbst bisher erlebt hatte, und so, wie ich José einschätzte, glaubte ich ihm das.
Im März 2007 wurde José tatsächlich ein weiteres Mal verurteilt. Er muss, so vermerkt es die Website des Federal Bureau of Prisons , eine Haftstrafe bis zum Jahr 2017 absitzen. Mit dem Gerichtsurteil wurde zudem ein Vermögen von 632 Millionen Dollar beschlagnahmt – ein Vermögen, das José kaum je besessen haben dürfte. Das Gericht hat einfach alle geschätzten Gewinne aus dem Glücksspielgeschäft aus der Ära seines Vaters, seit den sechziger Jahren, zusammengezählt. Wie sehr die Staatsanwaltschaft tatsächlich im Dunkeln tappte, zeigte die Tatsache, dass sie ihn noch nicht einmal wegen Steuerhinterziehung anklagte: Dafür nämlich hätte sie Zahlen auf den Tisch legen müssen.
Wenige Monate später, im Sommer 2007, starb sein Vater, José Battle senior, im Alter von 77 Jahren im Gefängnis. Jahrzehntelang hatte er im Ruf eines godfather der exilkubanischen Mafia gestanden. Battle senior war einstmals Polizist im Dienst des kubanischen Diktators Fulgencio Batista gewesen. Als dieser 1959 von Fidel Castros Truppen aus dem Land gejagt wurde, ging auch Battle ins Exil. Im Auftrag der CIA bildete er seine Landsleute in Miami für den Kampf gegen das Revolutionsregime Castros aus – und nahm schließlich mit seinem Regiment an der Invasion in der Schweinebucht teil. Nachdem John F. Kennedy die amerikanischen Truppen kurz vor ihrem Einsatz auf Kuba zurückrief, hatten die Invasoren keine Chance mehr, ihren Krieg zu gewinnen. José Battle wurde von kubanischen Truppen gefangen genommen. Nach zwei Jahren kauften die USA ihn frei.
Ab Mitte der sechziger Jahre lebte er in den Vereinigten Staaten. Offenbar weitgehend unbehelligt von der amerikanischen Polizei, baute er zügig ein Glücksspielimperium auf. Die verbotene Lotterie Bolita war vor allem unter Exilkubanern beliebt. 1977 saß José Battle senior noch einmal für zwei Jahre im Gefängnis, wurde dann aber wieder freigelassen und machte einen auch für amerikanische Verhältnisse sonderbaren Deal: Er gestand seine Beteiligung an einem Mord im «Tausch» gegen die bereits abgesessenen Gefängnisjahre.
Erst 2004 änderte die Staatsanwaltschaft ihre Laisser-faire-Politik gegenüber den Geschäften des ehemaligen Glücksspielkonzerns: Sie verhaftete den 74-jährigen José Battle sen. und 20 weitere Beschuldigte wegen «organisierter Kriminalität», darunter auch meinen Zellengenossen José Battle jun. Er wird nun vermutlich noch viele Jahre seines Lebens für die Geschäfte büßen, die sein Vater unter den Augen der US-Regierung ungestört aufbauen konnte.
Das, was die Ankläger aus Josés Besitz dingfest machen konnten, ist inzwischen in den staatlichen Treasury Forfeiture Fund (TFF) geflossen, ein gemeinsames Unternehmen des Finanzministeriums und des nach dem 11. September 2001 neu eingerichteten US Department for
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