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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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Westflügel schätze ich auf über 40 Jahre, viele Geschäftsleute, viele in ähnlicher Weise hereingelegt wie ich», berichtete ich meinen Freunden. Kurz vor meiner Ankunft hatte man den Schwiegersohn eines bekannten deutschen Feinkost-Millionärs aus unserer Abteilung entlassen. Unter meinen Mitgefangenen war ein Bauunternehmer aus New York, ein Unternehmensberater aus Düsseldorf und ein Arzt und Betreiber verschiedener Kliniken, in denen ein angeblich innovatives Medikament zur Krebstherapie verordnet worden war. Eine durchaus illustre Gesellschaft, und das Essen war so gut, dass ich anfangen musste aufzupassen, dafür gab es aber einen Fitness-Raum.
    Im FDC Miami «bewohnten» wir die etwa acht Quadratmeter großen Zellen jeweils zu zweit. Etagenbett, Toilette, ein Waschtisch, der zum Schreibplatz verlängert war, zwei Kleiderhaken. Mit etwas gegenseitiger Rücksichtnahme kam man auf diesem begrenzten Raum ganz gut miteinander klar. Man benutzte die Toilette zum Beispiel nur, wenn gerade Aufschluss war und der Zellengenosse den Raum verlassen konnte. Jeder Gefangene hatte eine Metallkiste für seine persönlichen Sachen, und wer ein Schloss besaß, konnte diese sogar absperren. Auch die Aufbewahrung von Lebensmitteln, die es beim zentralen Gefangeneneinkauf gab, war erlaubt. Die Auswahl war nicht schlecht, vermutlich zugeschnitten auf die etwas kaufkräftigere Klientel, die hier einsaß. Ich legte mir einen Vorrat von Instantsuppen, Fisch und Fleisch in sogenannten pouches zu – licht- und luftdichten Beuteln aus Kunststoff. Thunfisch- pouches waren eine beliebte Währung unter uns Gefangenen, mit der man allerlei Tauschgeschäfte betrieb und gegenseitige Dienstleistungen wie Haarschnitte bezahlen konnte. Die Qualität dieser Konserven war nicht schlecht, und zu bestimmten Zeiten konnten wir auch die Küche benutzen. So kam es gelegentlich zu Essenseinladungen unter uns Inhaftierten.
    Dennoch vergaß man keinen Moment, wie schnell es mit solchen kleinen Vergünstigungen vorbei sein konnte. Etwa wenn wieder mal inmates in den SHU gesperrt wurden, in Isolationshaft. Das passierte zum Beispiel, als ein junger Mitgefangener beschuldigt wurde, dass er Marihuana ins Gefängnis geschmuggelt habe. Gleich fünf Männer aus unserer unit verschwanden für unabsehbare Zeit im SHU.
    Die sich anschließende Durchsuchungsaktion lief erstaunlich unspektakulär. Die ganze Habe der Gefangenen aus den lockern wurde akribisch aufgelistet, in Plastiksäcke verstaut und aus der unit gebracht. Im Broward County Jail hätten sich die Diensthabenden das Zeug kurzerhand unter den Nagel gerissen, hier schien es tatsächlich etwas ordentlicher zuzugehen. Vermutlich wusste die Gefängnisverwaltung, dass nicht wenige der Häftlinge hier in der Lage waren, sich für ihre Belange einzusetzen, im Zweifelsfall mit Hilfe teuer bezahlter Anwälte.
    Viele meiner Mitgefangenen saßen wegen Drogendelikten hier, und ihre Strafen waren drakonisch. Zu ihnen gehörte zum Beispiel ein Haitianer, der ein Drogengeschäft vorbereitet oder besser gesagt verabredet hatte. Das Gespräch, das er wahrscheinlich mit einem Lockvogel geführt hatte, war vom FBI aufgezeichnet worden – er war in eine Falle gegangen. Als der Polizei bekannter Drogendelinquent war er für so eine Aktion prädestiniert, als Wiederholungstäter wurde er dann mit besonderer Härte verurteilt: zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe. Der Haitianer war fassungslos und ging dagegen in Berufung. Sein Urteil wurde aufgehoben, und er bekam eine neue Strafe: 25 Jahre.

    Auch diesmal hatte ich im FDC einen Zellengenossen, mit dem ich mich sehr gut verstand: José Battle war, wie Carlos Alvarez, geborener Kubaner und etwa in meinem Alter. Darüber hinaus gab es eine ganze Menge Gemeinsamkeiten zwischen uns. Seine Frau war Lehrerin, sie hatten drei erwachsene Kinder. Ein Sohn war Rechtsanwalt, ein anderer Musiker. José Battle hatte wie ich längere Zeit in einer Band gespielt. Sein Instrument war die Bassgitarre. Angeklagt war er wegen Glücksspielgeschäften, Geldwäsche und conspiracy , und in einigen Punkten war er auch verurteilt worden. Er wartete auf sein sentencing, aber auch auf ein neues Strafverfahren, das die Staatsanwaltschaft gegen ihn eingeleitet hatte, nachdem sie mit der Anklage in mehreren Punkten nicht durchgekommen war. Die meisten seiner Mitangeklagten, darunter auch sein Vater, hatten ihre Verfahren schon mit einem plea bargain beendet.
    Mit dem – illegalen –

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