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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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war EDV-Spezialist und als solcher bei der Polizei irgendwo in Südamerika beschäftigt gewesen, bis ihn das FBI nach Florida abgeworben hatte. Möglicherweise hat er seinen Job dort dazu missbraucht, die Datenbank der Einwanderungsbehörden zu knacken und einem oder zwei seiner Freunde bei der Beschaffung einer Aufenthaltserlaubnis zu helfen. Jedenfalls saß er mit diesem Tatvorwurf im Gefängnis. John war schon einige Zeit im FDC Miami inhaftiert, als er eines Nachts plötzlich abgeholt und zu einer Polizeidienststelle gebracht wurde. Dort warteten überraschenderweise bereits der Staatsanwalt und sein Verteidiger auf ihn. Er wurde gefragt, ob es ihm möglich sei, über die Daten von Mobiltelefonen an die Kontodaten ihrer Inhaber heranzukommen. Nach kurzem Überlegen bejahte er und musste sein Können auch gleich auf die Probe stellen: Es gelang ihm, die Vertragsdaten eines Telefonkunden einzusehen und sich so auch in seine Bankverbindung einzuhacken.
    Er hatte die Prüfung bestanden, und nun folgte das Angebot: Wenn er bereit war, seine Fähigkeiten der Polizei zur Verfügung zu stellen, würde er freigelassen. Die Bedingung: Er müsse rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Warum rund um die Uhr?, fragte er. Weil man eben nicht zu allen Tages- und Nachtzeiten an einen richterlichen Beschluss herankam. Mit anderen Worten: Er sollte richterlich nicht genehmigte, illegale Ermittlungen für die Polizei übernehmen. Nach einigem Überlegen lehnte der junge Mann das Angebot ab. Ob er gut daran getan hat? Ich weiß nicht, was später aus ihm geworden ist.
    Vermutlich erzählten mir manche Insassen solche Geschichten auch deshalb, weil sich bald herumgesprochen hatte, dass ich Rechtsanwalt war. Viele kannten mich namentlich, manche sprachen mich sogar ehrfürchtig mit Doctor an und suchten meinen Rat. Natürlich konnte ich ihre Erzählungen nicht nachprüfen, und ich kannte mich auch im amerikanischen Recht nicht gut genug aus, um wirklich helfen zu können.
    Aber das, was ich über manche Fälle – wie etwa den von Carlos Alvarez, Martino D. oder José Battle – später in Gerichtsdokumenten und Presseberichten nachlesen konnte, bestätigte alles, was meine Mithäftlinge mir erzählt haben. Und insgesamt ähneln alle diese Geschichten einander und dem, was mir selbst passiert ist, zu sehr, um anzunehmen, dass sie zum größeren Teil erfunden oder grob übertrieben waren.
    Erpressung, Bespitzelung, Zeugenbeeinflussung, die Verwendung «schmutziger» Gelder für legale Geschäfte: All das, wofür viele der Männer, die ich im Gefängnis kennenlernte, jahrelang eingesperrt waren, scheint zu den ganz alltäglichen Praktiken der amerikanischen Gesetzeshüter selbst zu gehören. Aber die Gesetze gelten dort immer nur für die anderen. Erst wenn jemand über die Stränge schlägt wie Sheriff Ken Jenne oder die Richter Conahan und Ciavarella, erst wenn sich jemand aus diesem System mit seinen Praktiken Neider und Feinde in den eigenen Reihen schafft, muss er fürchten, dass die Gesetze auch einmal gegen ihn selbst angewendet werden.
    «Wenn du das alles weißt, wie das hier so geht, was sie mit den anderen so machen, dann bleibt nur ein Schluss», schrieb ich an meinen Freund Uli Stellfeld, «ich habe insgesamt noch richtig Glück gehabt und sollte das alles zum Anlass nehmen, auf die positiven Seiten zu schauen. Und genau das tue ich auch!»

22
    Am 9. November 2006 feierte ich zum ersten Mal meinen Geburtstag im Gefängnis. Ich bekam bergeweise Post, und meine Freunde hatten sich etwas besonders Nettes ausgedacht: Sie versammelten sich zu einer verabredeten Stunde in meinem Büro in Hamburg, sodass sie mir, als ich dort anrief, alle ganz kurz ihre persönlichen Glückwünsche zurufen konnten.
    Mit Mitgliedern meiner beiden Bands stand ich inzwischen in ständigem Briefkontakt. Wir tauschten uns über einzelne Musikstücke aus, korrespondierten über die technischen Details von Gitarren und Verstärkern und über Konzerte, die gerade in Hamburg stattfanden. Es war mir wichtig, dass auch dieser Teil meines Lebens weiterging, und ich freute mich darauf, irgendwann wieder mit den Jungs zusammen zu spielen. Ich schickte erste Entwürfe für mein geplantes Gitarrenbuch nach Hause und bat darum, mir Literatur zuzuschicken, allerdings erst dann, wenn ich meinen endgültigen Bestimmungsort erreicht hätte. Im FDC Miami kam ich jetzt zum ersten Mal wieder an ein Instrument heran. Und ich fand einen Gleichgesinnten.
    «José und ich

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