Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
haben die Unit -Gitarre jetzt bei uns so gut wie ständig auf der Zelle, nett! Es ist eine 30-Dollar-Nylonstring aus China, die bisher fest in Händen von zwei schwarzen inmates war, die damit ihre religiösen Versammlungen begleiten. Gestern komme ich in unsere Zelle, sitzt da José und spielt Gitarre. Seit gestern ist die Gitarre bei uns, wir werden uns mit den schwarzen buddies arrangieren. José muss mir erst einmal zeigen, wie das Stück ‹Light my Fire› (kennst Du von José Feliciano und von den Doors) auf einer Nylonstring mit den Fingern gespielt wird, und ich bin schon ziemlich gut dabei. Das nächste Stück (eine Liga höher!), das José mir zeigen muss, ist ‹Besame mucho›. Zwischendurch feile ich an meinem Blues in C herum, den ich in seiner Einfachheit immer noch mag und der ‹Back Home› heißen wird, sobald ich zurück bin. Dann werde ich auch an dem bereits im Broward County Jail (ohne Instrument!) begonnenen Stück ‹High Pressure› weitermachen», schrieb ich an meinen Freund Dieter Lux. So verging die Zeit, manchmal sogar erstaunlich schnell.
Und dann passierte es wieder von der einen auf die andere Minute: PACK OUT! Es war der Befehl, den ich herbeigesehnt hatte, den ich aber auch immer ein wenig fürchtete. Die Verlegung kam ohne Vorwarnung, man erfuhr erst im letzten Augenblick, wohin die Reise ging. Ich hatte kaum Zeit, zu packen und mich von den Männern zu verabschieden, mit denen ich monatelang zusammengelebt hatte. Die letzten Briefe, die mir im FDC Miami ausgehändigt wurden, durfte ich nicht einmal mehr richtig lesen. Ich musste sie nach einer flüchtigen Durchsicht vernichten, denn ich durfte selbstverständlich keinerlei persönliches Gepäck mitnehmen. Immerhin stand auf den beiden Kartons, in die ich am 13. November 2006 meine persönliche Habe packte, wohin diese geschickt werden würden: Oakdale, Louisiana.
Also doch ins Land des Blues, ins Mississippi-Delta, die einzige Gegend, die ich nach meinen zahlreichen USA-Reisen noch hatte sehen wollen. Ich hatte eigentlich woanders hingewollt und dies auch ins sentencing eingebracht. Ein Gefängnis im Norden Nordamerikas wäre für meine Angehörigen wesentlich besser erreichbar gewesen. Außerdem traute ich dem relativ liberalen Norden mehr Humanität zu als den reaktionären Südstaaten.
Aber ich hatte schon gewusst, dass auch die Federal Correctional Institution (FCI) Oakdale für mich in Frage kam, und das, was ich von Mitgefangenen darüber hörte, klang nicht schlecht. Vor allem würde ich dort meinen endgültigen Bestimmungsort erreichen – dachte ich jedenfalls. Erst wenn ich in der Anstalt angekommen war, in der meine Strafe vollstreckt wurde, konnte ich von dort aus meine Überstellung nach Deutschland beantragen.
Zunächst aber sollte es in die nächste Zwischenstation gehen: ein Holdover -Gefängnis in Atlanta.
Ich musste dann doch noch eine Nacht warten. Gegen 13 Uhr des nächsten Tages ging es los. Meine Sachen waren bereits verpackt, und das Wenige, was ich mitnehmen durfte, lag bereit. Trotz Ankündigung vom Vortage durfte ich meine Medikamente nicht mitnehmen. Auch mein schöner Che-Guevara-Jumpsuit blieb im FDC . Stattdessen bekam ich für die Reise einen blauen Einweg-Overall mit Reißverschluss und statt der Plastiksandalen grüne knöchelhohe Socken, die eine Art dünne Schuhsohle aufwiesen.
Mir war klar, dass wir fliegen würden, andernfalls wäre ich nachts abgeholt worden. Das ging auch relativ reibungslos: Wir stiegen in eine Boeing, angeblich ca. 150 Gefangene. Für den gesamten Transport – auch während des Fluges – waren wir mit Hand- und Fußfesseln gefesselt. Eine Zwischenlandung in Tampa, um ca. 16 Uhr ging es weiter. Nach Tampa ging in Flugrichtung links langsam die Sonne unter. Es war wie ein Hauch von Ferienstimmung.
In Atlanta folgte abermals eine fast komplette Aufnahmeprozedur. Der gesamte Inhalt der Boeing an Gefangenen war hierhergebracht worden. Trotz des Chaos, das auf den Fluren herrschte, ging alles erstaunlich schnell, ich war gegen 22 Uhr auf meiner Zelle. Geringfügig kleiner als im FDC , zumindest etwas ungünstiger geschnitten, war sie bereits mit zwei Leuten belegt, von denen einer mit mir im Flugzeug gesessen hatte. Es wurde eine zusätzliche Matratze für mich geholt, und ich schlief diese Nacht auf dem Fußboden.
Der Holdover -Trakt in Atlanta war ein schlimmer Knast. Alles hier wirkte ‹dreckig›. Das lag im Wesentlichen an fehlenden PVC-Fußbodenfliesen
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