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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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der neunziger Jahre genau dorthin zurückkehrte? Diesmal wurde er wegen Kokainhandel und Geldwäsche zu 20 Jahren Haft verurteilt. Die 14 Jahre, die er bereits unschuldig gesessen hatte, wurden ihm natürlich nicht gutgeschrieben.
    In Angola, so erzählte mir Isaac, gebe es einen eigenen Friedhof für die Gefangenen. Die meisten, die dorthin kommen, bleiben lebenslänglich und sterben im Gefängnis, nicht wenige davon gewaltsam. Isaac erzählte mir von den Duellen, die Gefangene mit beidseitig geschliffenen Messern gegeneinander austrugen: Der Kampf war zu Ende, wenn einer von den beiden tot war. Einer der früheren Gefängnisdirektoren, C. Murray Henderson, sitzt heute wegen des Mordes an seiner Ehefrau selbst im Knast – in Angola .
    Inzwischen soll sich dort einiges geändert haben. Burl Cain hat 1995 die Leitung übernommen. Der christlich-fundamentalistische Gefängnisreformer hat wohl nicht wenige der Insassen zu seinem Glauben bekehrt und dafür gesorgt, dass Gefangene in Angola inzwischen eine eigene Radio- und Fernsehstation betreiben, eine Zeitung herausgeben und allerlei Sportwettkämpfe ausrichten.
    Doch das Töten geht im Louisiana State Penitentiary weiter. In einem eigenen Todestrakt warteten Ende des Jahres 2009 88 Gefangene auf ihre Exekution – oder auf eine letzte richterliche Entscheidung, die diese verhindern könnte.
    Wenn es so weit ist, dann schreitet Gefängnisdirektor Cain persönlich zur Tat und setzt ihnen die tödliche Spritze. Burl Cain ist stolz darauf, dass er mit den Todeskandidaten vorher noch über Jesus spricht und ihnen beim Sterben die Hand hält.

25
    Den besten Job in der FCI Oakdale hatte Bernie Ebbers ergattert: Er arbeitete in der Bibliothek. Dieser freundliche, ältere Herr gab Bücher an interessierte Gefangene wie mich aus, nahm Bestellungen auf und führte gelegentlich in Fortbildungsveranstaltungen Videos vor – er kannte sich ganz gut mit der Technik aus.
    Bernard Ebbers war der Gründer und Chef der WorldCom, die in den neunziger Jahren zur zweitgrößten amerikanischen Telefongesellschaft wurde. WorldCom hatte Dutzende kleinerer Firmen aufgekauft, ihr Aktienkurs war in schwindelerregende Höhen gestiegen – und, wie bei so vielen anderen Firmen zu Beginn des dritten Jahrtausends, abgestürzt. 2002 war WorldCom pleite; weltweit gingen etwa 20   000 Arbeitsplätze verloren.
    Als «Gott der Wall Street» war Bernie Ebbers einst umjubelt; Bill Clinton sah in ihm und seiner Firma «die Zukunft Amerikas». Ich weiß nicht, ob Ebbers an der WorldCom-Pleite schuldiger oder unschuldiger war als andere, die an der Börse mit Illusionen handelten und es heute wieder oder immer noch tun. Jedenfalls sprach ihn eine Jury, die mit seinem Fall vermutlich heillos überfordert war, 2005 wegen Bilanzbetruges in Höhe von 11 Milliarden Dollar und – natürlich – wegen conspiracy schuldig. Seine Strafe: 25 Jahre Haft. Sein appeal: abgelehnt. Im selben Jahr wurde die ehemalige WorldCom für rund 7 Milliarden US-Dollar von der amerikanischen Telekommunikationsgesellschaft Verizon gekauft.
    Bernie Ebbers hatte im September 2006 alle Rechtsmittel ausgeschöpft. In einem weißen Mercedes fuhr er vor der FCI Oakdale vor und trat seine Strafe an. Er war zu diesem Zeitpunkt 65 Jahre alt, und seine Aussichten, im Leben noch etwas anderes zu sehen als ein Gefängnisgelände, sind gering.
    In Louisiana begann ich zum ersten Mal darüber nachzudenken, was eine entfesselte Marktwirtschaft mit der entfesselten Justiz zu tun haben könnte, die sich inzwischen sogar Leute wie Bernie Ebbers einverleibte. «Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Gründe für dieses völlig absurde System nicht im politökonomischen Bereich liegen», schrieb ich an einen Freund und bat diesen, doch mal nach Publikationen zu diesem Thema zu recherchieren. «Es muss Interessengruppen hier geben, die auf ökonomischer Ebene richtig daran ‹verdienen›, dass diese Maschine Strafvollzug läuft und unterhalten wird, und zwar völlig ohne Rücksicht darauf, ob oder gegebenenfalls in welcher Weise jemand schuldig ist. Das Ganze ist eine Milliarden-Maschine, die im Wesentlichen von dem US-amerikanischen Steuerzahler gefüttert wird. Sowohl im Broward County Jail wie auch hier in Louisiana werden Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt für Leute, die direkt aus dem Wellfare -System kommen (etwa unsere Sozialhilfe).» Schon in Florida hatte ich deutlich gesehen, dass der Unterschied zwischen den Leuten,

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