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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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gehört, den Passagieren so lange wie möglich zu verheimlichen, wann es losgeht und wohin die Reise führt. So sollen Befreiungsversuche verhindert werden. Dass Gefangene völlig desorientiert durch das Land irren und auch ihre Angehörigen nicht über ihren nächsten Aufenthaltsort informieren können, spielt dabei keine Rolle.
    Aber immerhin: Ich war sicher im Land des Blues gelandet.
    Reiseveranstalter mit besonderen Aufgaben: Con Air & Co.
    Das Justice Prisoner and Alien Transportation System (JPATS), im allgemeinen Sprachgebrauch Con Air genannt, wurde 1995 gegründet. Die Notwendigkeit einer eigenen Fluggesellschaft zum Gefangenentransport ergab sich aus der drastisch steigenden Zahl von Häftlingen. Mit der zivilen Luftfahrt waren diese Transporte nicht mehr zu bewältigen. Denn Fluggäste, die für ihr Ticket bezahlt haben, mögen es nicht besonders, wenn ihre Mitreisenden Handschellen und Fußfesseln tragen und von marshals bewacht werden.
    Ein Flug mit Con Air , einem Betrieb im Besitz der amerikanischen Regierung, kostet, so ein Aufsatz aus dem Jahre 2005, durchschnittlich etwa 1200 US-Dollar. Jedes Jahr gehen rund 250   000 Passagiere an Bord der sechs Maschinen vom Typ Boeing 727 – und keiner von ihnen tut es freiwillig. Neben Strafgefangenen transportiert JPATS auch straffällig gewordene Ausländer, die in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden.
    Während der Transport von Gefangenen per Flugzeug also durch ein staatliches Unternehmen abgewickelt wird, wurden die Fahrten mit Bussen und Vans seit Mitte der neunziger Jahre mehr und mehr privaten Anbietern übertragen. Der Markt ist unübersichtlich, und Zahlen sind schwer zu erfassen. Etwa 300   000 Transporte allein von Federal -Gefangenen werden jedes Jahr durchgeführt. Wie viele Häftlinge zusätzlich innerhalb der Bundesstaaten auf Fahrt gehen, ist durch keine Statistik erfasst.
    Anfangs gab der Staat diese Dienstleistungen an kleine Familienunternehmen ab, die Häftlingsreisen zu Dumpingpreisen anboten. Etwas später begannen dann größere Anbieter wie TransCor , eine Tochterfirma der Correction Corporation of America (CCA), den Markt zu dominieren. Die Folge der Privatisierung: sinkende Kosten und wachsende Klagen über übermüdete Fahrer, überladene Autos, unzumutbare Bedingungen – Hunger, Durst, Kälte oder Hitze während der oft tagelangen Fahrten. Einzelne Gefangene irrten in Bussen bis zu 20 Tage lang durch die Vereinigten Staaten, weil unterwegs dauernd Passagiere eingeladen und abgesetzt wurden. Immer wieder kam es zur sexuellen Belästigung und Vergewaltigung von weiblichen Gefangenen durch das Wachpersonal. Auch die Zahl spektakulärer Ausbrüche, Geiselnahmen und Entführungen stieg bei den privaten Transportfirmen drastisch an. Die Transportbegleiter waren für ihren Job oft nur in Form einer kurzen Einweisung ausgebildet worden.
    Der dramatischste Vorfall geschah 1997: Sechs Gefangene verbrannten bei lebendigem Leibe in einem privaten Gefangenentransporter. Das Auto war in zwei Jahren über 400   000 Kilometer gefahren. Aber auch diese Katastrophe führte nicht dazu, dass die Sicherheitsauflagen für die Transporter verschärft wurden. Erst als es zwei Jahre später einem Gefangenen – dem verurteilten Mörder eines 11-jährigen Mädchens – gelang, unbemerkt aus einem Bus zu entkommen und ein Jahr in Freiheit zu bleiben, wurden Forderungen nach einer sicheren Ausstattung der Fahrzeuge und einer besseren Ausbildung des Personals laut.
    Inzwischen gibt es zwar einige gesetzliche Vorschriften für die Sicherheit und Grundausstattung der Fahrzeuge. Studien zeigen aber, dass es während der billigeren privaten Transporte nach wie vor zu sehr viel mehr unerwünschten Vorfällen kommt als in den Fahrzeugen der Feds .

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    Louisiana ist der Bundesstaat der USA, in dem die längsten Freiheitsstrafen verhängt werden. Dort sitzen – im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung – mehr Menschen im Gefängnis als irgendwo sonst in den USA. 80 Kilometer von New Orleans entfernt liegt die größte und berüchtigtste amerikanische Strafanstalt: Das Louisiana State Penitentiary , ein Hochsicherheitsknast, besser bekannt unter dem Namen Angola . Die Anstalt wurde auf ehemaligem Farmgebiet errichtet, das wiederum war nach dem Land benannt, aus dem die schwarzen Sklaven kamen, die hier zur Feldarbeit gezwungen wurden: Angola.
    Ich hatte also keinen Grund zu erwarten, dass die Haftbedingungen in einem Gefängnis ausgerechnet in Louisiana,

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