Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
the truth
Proving innocence is not becoming smooth
The judge will grant you no bail.
(Übersetzung im Anhang)
Und dann war da noch Will, der Chef und Rhythmusgitarrist der Bare Bones . Er war ein bisschen älter als ich und trug sein schütteres weißes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Oft saß er, wie ich, mit einer Gitarre in den Händen irgendwo auf dem Rec Yard herum. Nachdem wir uns ein bisschen angefreundet hatten, zeigte auch er mir seine Sammlung von Musiknoten und Songtexten.
Beim Stöbern in seinen Unterlagen stieß ich auf ein Stück, das mir sehr vertraut war: «The Midnight Special».Will besaß nur ein einzelnes Blatt, auf dem der Text und die Akkorde notiert waren. Creedence Clearwater Revival hatten das Stück 1969 auf ihrer vierten Langspielplatte herausgebracht, und nicht allzu viel später spielte auch ich es mit meiner Band. Auf das Thema des Songs hatte ich damals nicht geachtet. Warum auch? Ich habe die lyrics ja nie gesungen.
«Es ist der einzige Prison -Song, den ich hier habe», erklärte Will bedauernd. In dem Stück ging es ums Gefängnis? Jetzt verstand ich den Text sofort.
The Midnight Special
Well, you wake up in the mornin’, you hear the work bell ring,
And they march you to the table to see the same old thing.
Ain’t no food upon the table, and no pork up in the pan.
But you better not complain, boy, you get in trouble with the man.
CHORUS:
Let the Midnight Special shine a light on me,
Let the Midnight Special shine an everlovin’ light on me.
Yonder come miss Rosie, how in the world did you know?
By the way she wears her apron, and the clothes she wore.
Umbrella on her shoulder, piece of paper in her hand;
She come to see the gov’nor, she wants to free her man.
CHORUS
If you’re ever in Houston, well, you better do the right;
You better not gamble, there, you better not fight, at all
Or the sheriff will grab ya and the boys will bring you down.
The next thing you know, boy, Oh! You’re prison bound.
(Übersetzung im Anhang)
Ich war wie elektrisiert von dieser Entdeckung. Jetzt interessierten mich zwei Dinge: Wer hatte diesen Text geschrieben? John Fogerty von Creedence Clearwater Revival, oder schon viel früher jemand anders? Und was war mit dem Midnight Special gemeint? Der Zug, der dich aus dem Knast nach Hause bringt? Aber wieso soll er sein Licht auf dich scheinen lassen? War der Midnight Special etwas wie ein Symbol der Hoffnung, der herbeigesehnten Befreiung?
Will hatte da seine eigene Interpretation: Für ihn war Midnight Special der Moment, wenn der officer um Mitternacht (oder kurz danach) in die Zelle kommt, das Licht anmacht und ihn anraunzt: «Pack your shit!» Genauso würden nämlich üblicherweise die Gefangenen aus den state prisons entlassen: kurz nach Mitternacht, mit einem letzten Fußtritt in die Freiheit.
Ich fragte Charly, mit dem ich mich trotz unserer kleinen Rivalitäten um das Klavier sehr gut verstand. Klar sei der Midnight Special ein Zug, meinte er sofort. Kurz darauf korrigierte er sich: Nein, das könne nicht sein, je länger er darüber nachdenke – es müsse ein Gefängnisausbruch gemeint sein. Nur: Wieso sollte sich Ms. Rosie dann beim Staatsanwalt um die Freilassung ihres Mannes bemühen?
Charly konnte mir bei meiner Recherche ein bisschen weiterhelfen. Er besaß ein Songbook, in dem der Autor des Stückes genannt war: «Words and Music by Huddie Leadbetter, 1936» stand darin. Dieser Musiker, besser bekannt als «Leadbelly» sagte mir natürlich etwas. Ich schrieb meinem Freund Uli Stellfeld und bat ihn, ein paar Lebensdaten des Bluessängers aus dem Internet zusammenzustellen.
Zehn Tage später hatte ich die Antwort: Huddie Leadbetter hatte nicht wenige Jahre in seinem Leben im Gefängnis verbracht. Ihm war dabei allerdings mehr Gnade zuteilgeworden, als es ein amerikanischer Strafgefangener heute erwarten dürfte. Geboren war Leadbelly 1889 in Mooringsport, Louisiana. 1918 wurde er in Houston zu 30 Jahren Zwangsarbeit verurteilt: Beim Streit um eine Frau hatte er einen Verwandten getötet. Nach sieben Jahren kam er wegen guter Führung frei. Angeblich hat er das Herz des Richters erweicht, indem er sein Gnadengesuch singend vortrug. Nach fünf Jahren, 1930, wurde Huddie Leadbetter wieder verhaftet, diesmal mit dem Vorwurf Raub und Mordversuch. Man sperrte ihn in das Louisiana State Penitentiary, nach Angola .
Wahrscheinlich wurde Leadbetter dort 1934 von John und Alan Lomax entdeckt, die im Auftrag der Library of
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