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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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Congress durch die Südstaaten reisten und die bis dahin nur mündlich überlieferte Folkmusik auf Schallplatten aufnahmen. John Lomax setzte sich für den Sänger ein und bot an, ihn als seinen Chauffeur zu engagieren. Leadbelly wurde 1935 erneut begnadigt, machte in New York Karriere als Musiker und starb dort 1949.
    Sein «Midnight Special» hatte übrigens noch zwei weitere Strophen:
«I don’ believe that Rosie loves me» «Well tell me why»
She ain’t been to see me, since las’ July
She brought me little coffee, she brought me little tea
Brought me damn near ever’thing but the jailhouse key

CHORUS

Yonder comes doctor Adams, «How in the world do you know?»
Well he gave me a tablet, the day befo’
There ain’t no doctor, in all the lan’
Can cure the fever of a convict man
(Übersetzung im Anhang)
    Auch meinen Musikerfreunden in Hamburg schrieb ich mit der Bitte, etwas mehr über diesen Song herauszufinden. Ein paar Wochen später trudelten die Antworten ein. Daraus erfuhr ich: «Midnight Special» hatte es schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegeben, und es war von Anfang an ein Prison Song gewesen. Gemeint war, so jedenfalls die Interpretation von John und Alan Lomax, ein Zug, der um Mitternacht im Southern Pacific Depot in Houston abfuhr und etwa eine halbe Stunde später am Sugar Land Prison in Richtung Kalifornien vorbeistampfte. Huddie Leadbetter hatte von 1918 bis 1925 in diesem Gefängnis gesessen und dort wahrscheinlich den Song kennengelernt.
    Leadbelly war als Strafgefangener zuerst in Texas eingesperrt gewesen und später in Louisiana. Damals wusste ich noch nicht, dass ich bald eine Reise in entgegengesetzter Richtung antreten würde: von Louisiana nach Texas.

27
    «Hey, Mann, hast du gesehen, dass dein Name auf der Liste steht?», fragte mich Ronaldo, mein cellie . Es war der 21. März 2007 – Frühlingsanfang.
    Mein Name stand auf einer Liste? Ich sollte mich am nächsten Morgen um neun bei Receive and Discharge einfinden. Das war eine Stelle, über die das Eigentum von Gefangenen ein- und ausgecheckt wurde – vor allem wurden aber Gefangene selbst bei Verlegungen ein- und ausgecheckt. Aber das konnte in meinem Fall überhaupt nicht sein. Und ein Paket erwartete ich auch nicht.
    Ich war also früh um 9 Uhr dort und der Erste. Andere inmates kamen nach und nach, einige hatten ihre kompletten Sachen dabei. Augenfälliger Unterschied zu mir: Die anderen inmates waren ausnahmslos Mexikaner oder zumindest Hispanics. Als dann der CO (correctional officer) kam, der die Tür aufmachte, fragte er mich, wo ich denn meine Sachen hätte. Ich erklärte ihm, dass mir niemand gesagt hatte, dass ich ausgecheckt werden solle, und ich auch nicht ausgecheckt werden wolle. Er war ziemlich verblüfft. «Why?», fragte er nur, wahrscheinlich hatte ihm das noch niemand gesagt.
    Ich schilderte ihm dann kurz, dass ich seit Anfang Dezember da sei und mit viel Mühe einen Platz in der Horticulture- Ausbildungbekommen hatte, viele classes besuchte und überhaupt aus dem Education-Bereich – zu dem auch die Bibliothek und der Rec Yard gehörte – nicht herauswollte. Er sah sich meinen Ausweis an und sagte dann kurz: «I don’t need you.» Dann ging er durch die Tür in den R+D-Bereich. Das Ganze hatte sich im Freien davor abgespielt.
    Da ich nicht wusste, was dieser CO für eine Funktion hatte und ich immerhin auf der Call-out-Liste für 9 Uhr stand, wollte ich hinter ihm das Gebäude betreten. Der CO drehte sich darauf um und sagte mir noch einmal, dass er mich nicht brauche – ich solle in meine unit zurückgehen.
    Am Nachmittag ging ich zu Ms.   Cameron, meiner Case - Managerin , und sprach sie auf die Sache an. Auch sie wusste von nichts und rief in meiner Gegenwart bei R+D an. Außer einigen Fragen und «yes, yes» und dann «I’ve got it» bekam ich allerdings nichts mit. Nachdem sie aufgelegt hatte, sagte sie einfach nur mit einem Schulterzucken: «Discharge.» Ich könne es vergessen, da sei nichts.
    Mein cellie erzählte mir später, dass es in unserem Knast einen ähnlichen Fall schon mal gegeben hatte. Erst schien alles ein Versehen zu sein, eine Woche später wurde der Mann dann ausgecheckt. «Your name popped up», meinte er, und das werde seinen Grund haben.

    Und Ronaldo behielt recht. Am nächsten Tag hieß es: PACK OUT! Diesmal hatte ich diesen Marschbefehl weder erhofft noch gefürchtet. Er kam einfach aus heiterem Himmel.
    Es ging mir nicht schlecht in Louisiana. Ich hatte meine

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