Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
Beschäftigung im Treibhaus, und ich spielte in drei Bands. Ich konnte in der Bibliothek oder sonst wo sitzen und lesen. Ich kam endlich wieder nach draußen, an die Sonne. Im März herrschten hier tagsüber schon sommerliche Temperaturen. In ein paar Tagen würde Jan Jütting mit Jakob nach Oakdale kommen. Ich freute mich sehr darauf, ich hatte meinen Sohn seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen.
Und dann geht das wieder von vorne los. PACK OUT. Kein Widerspruch möglich, keine Antwort auf Fragen. Sie nehmen dir wieder alles, was dir gerade hier so besonders wichtig war: die paar persönlichen Sachen, die Fotos, die Briefe und Bücher. Die Möglichkeit, mit deinen Leuten zu Hause Kontakt zu halten. Deine Musiknoten und die Chance, an eine Gitarre zu kommen. Papier, Schreiber, Umschläge, Briefmarken und den Zugang zu einem Telefon. Du kannst nicht mal deiner Familie Bescheid sagen, wo es mit dir hingeht. Weil du es selbst nicht weißt.
Du hast in diesem Gefängnis herausgefunden, wem du vertrauen kannst und um wen du besser einen Bogen machst. Du weißt inzwischen, an welche Vorschriften du dich wirklich halten musst und welche du ignorieren kannst. Du kennst auch die wichtigsten ungeschriebenen Gesetze, die hier, nur hier, gelten. Aber dieses Wissen wird dir ab sofort nichts mehr nutzen. Du fängst irgendwo wieder von vorn an, und du weißt noch nicht, wie es dort sein wird.
Diejenigen, die irgendwo im Bureau of Prisons über dein Leben, deinen nächsten Aufenthaltsort verfügen, wissen ganz genau, was zu tun ist, um einem Menschen seine Identität, seinen Lebensmut, seine Fähigkeit, zielgerichtet zu handeln, zu nehmen. Immer wieder, bis er wirklich nur noch ein body ist, der sich widerstandslos einlagern, füttern, bewachen und dorthin transportieren lässt, wo er als Kostenstelle für die Buchhaltung gerade benötigt wird.
Erst vier Wochen später hatte ich die Möglichkeit, in einem Brief nach Hause zu schildern, wie es mir ergangen war. «Wenn ich die Daten richtig im Kopf habe, bin ich am Freitag, den 23. 3. 07 von Oakdale nach Oklahoma verlegt worden, und zwar per Flugzeug von Alexandria aus. Das FTC Oklahoma (T steht für Transfer) ist direkt an den Flughafen angeschlossen, d. h., man steigt vom Flugzeug in die geschlossene Gangway und befindet sich im Gefängnis», berichtete ich.
Die Idee, uns Gefangene aus dem Flugzeug direkt im Knast abzuladen, war unter logistischen Gesichtspunkten nachvollziehbar. Das war aber auch das Einzige, was das Reiseunternehmen der Federals einigermaßen effektiv organisieren konnte. Nach einem relativ kurzen Flug wurde ich jetzt nämlich für zehn Tage in diesem vergitterten Transitbereich zwischengelagert. Die Haftbedingungen dort zu beschreiben lohnt sich nicht: Es war wie im FDC Miami. Aber es gab keine library, keine Sportmöglichkeiten, keinen Hofgang, keine Telefonverbindung ins Ausland. Meine persönlichen Körperpflegeprodukte hatte ich in Louisiana abgeben müssen, und hier hatte ich keine Möglichkeit, mir etwas Neues zu kaufen. Ich hatte ja in diesem Knast noch kein Konto. An Briefmarken oder Briefpapier kam ich auch nicht heran.
Es gab hier schlicht überhaupt keine Möglichkeit, die Zeit irgendwie sinnvoll zu nutzen. Man konnte nur warten, dass der Tag aufhörte und ein neuer begann, an dem vielleicht irgendetwas passieren würde. Nach der zehnten Nacht war es dann schließlich so weit. Entgegen meiner Vermutung ging es auch diesmal per Flugzeug weiter, und zwar nach El Paso. Gesagt wurde uns wie üblich nichts, aber die internationalen Flughäfen ließen sich durch Beschriftungen an Gebäuden ganz gut identifizieren. Nach einer langen Wartezeit in einem alten umgebauten Linienbus mit ungepolsterten Plastiksitzen und vergitterten Fenstern stellte sich heraus, dass die elektronische Steuerung unseres Busses angeblich defekt war und repariert werden musste. Auf mich machte der Bus den Eindruck, als stamme er aus einer Zeit, zu der es noch keine elektronischen Steuerungen gab.
Wie auch immer, wir mussten noch einmal stundenlang warten und wurden für diese Zeit in das County Jail von El Paso gebracht. Da kamen schlimme Erinnerungen hoch. Der Knast war zwar sauberer als das Broward County Jail , das angebotene Essen aber war das Gleiche, die dortigen Gefangenen trugen schwarz-weiß quergestreifte Overalls (wie man das aus Filmen kennt) und schleppten sich mit irgendwelchen Vollplastik-Matratzen ab, die weniger als 40 cm breit waren. Gegen Abend
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