Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
andere.
«Mit 2,3 Millionen Menschen, die damit beschäftigt sind, Kriminelle zu fangen und sie hinter Gitter zu stecken, und die damit monatlich insgesamt 8,1 Milliarden Dollar verdienen, ist die ‹Besserungsindustrie› einer der größten Bereiche der US-Wirtschaft geworden. Er beschäftigt mehr Menschen, als es General Motors, Ford und Wal-Mart zusammengenommen und weltweit tun – und das sind die drei größten Arbeitgeber unseres Landes. Wenn ein Land durch das, was es produziert, charakterisiert werden kann, so sind die Vereinigten Staaten zu einer Gefängnisnation geworden», schreibt der amerikanische Journalist Alan Elsner 2006.
Mit anderen Worten: Auf jeden Gefangenen in den USA kommt mindestens eine weitere Person, die ihren Job der «Gefängnisindustrie» verdankt. Und wahrscheinlich sind es noch sehr viel mehr. Niemand kann genau beziffern, wie viel heute in den USA an der Verfolgung, Verurteilung und Verteidigung von Menschen, an der Unterbringung, Verpflegung, Bekleidung, Behandlung und Bewachung von Gefängnisinsassen, an ihrem Transport, ihrer Beschäftigung und Fortbildung, an Dienstleistungen und Konsumgütern für die Haftanstalten verdient wird – in einem dynamischen Markt, der sich ständig weiterentwickelt und verändert. Allein auf der Website www.realcostofprisons.org sind Hunderte von Dokumenten zu diesem Thema aufgelistet.
Aus europäischer Sicht mag es noch ungewöhnlich erscheinen, dass ein wachsender Teil dieser Aufgaben von privaten Unternehmen übernommen wird. Und tatsächlich führte die Unerfahrenheit der neuen prison companies und ihr gnadenloses Kostenmanagement bis zum Ende des letzten Jahrhunderts zu einer ersten Krise in der Gefängnisindustrie: Skandale um spektakuläre Ausbrüche und selbst für amerikanische Verhältnisse nicht mehr tolerierbare Missstände in privaten Haftanstalten führten zu einer vorübergehenden Zurückhaltung öffentlicher Geldgeber gegenüber den privaten Unternehmen. Inzwischen aber laufen die Geschäfte von Betreibern wie der GEO Group Inc., CCA (Corrections Corporation of America) und den Cornell Companies (Texas) besser denn je.
Die GEO Group Inc. vermeldet in ihrem Jahresbericht für 2008 erstmals einen Umsatz von über einer Milliarde US-Dollar und ein Vermögen von 1,288 Milliarden. Neben vier Krankenhäusern und sieben Gefängnissen im Ausland wird der Löwenanteil in 52 amerikanischen Haftanstalten mit rund 52 000 Betten erwirtschaftet. Noch mehr Strafanstalten hat die CCA: Laut deren Jahresbericht betreibt das ebenfalls börsennotierte Unternehmen 66 Haftanstalten mit rund 75 000 Betten; hinzu kommt die Gefangenen-Transportfirma TransCor. Der Gesamtumsatz der CCA im Jahr 2008 betrug 1,6 Milliarden Dollar.
Die Gefängnisbetreiber haben selbst in Krisenzeiten Anlass zu den schönsten Hoffnungen: «Die Gefangenenpopulation ist während der vergangenen Rezessionen in den USA weiter gewachsen, wenn auch in etwas gedrosseltem Tempo, um dann in Zeiten wirtschaftlicher Erholung schnell zuzunehmen. Wir glauben, dass die Gefängnispopulation langfristig wachsen und CCA dann weitere Wachstumsmöglichkeiten eröffnen wird», teilt der Marktführer mit. Das Unternehmen rechnet mit einem Zuwachs von 153 000 Gefangenen innerhalb von vier Jahren bis 2011. Seit der Jahrtausendwende, so die CCA, hat sich der Anteil der privaten Haftplätze für Federal -Gefangene mehr als verdoppelt: 15,7 Prozent von ihnen werden heute von privaten Betreibern eingesperrt, versorgt und bewacht. «Für uns ist die Zukunft voller Chancen», frohlockte CCA-Vorstandsmitglied Damon Hininger Anfang des Jahres 2009 in einem Interview.
Aber auch die staatlichen Unternehmen der Gefängnisindustrie werden privaten Wirtschaftsbetrieben inzwischen immer ähnlicher. Bei Unicor und Con Air, den Firmen im Besitz des staatlichen Bureau of Prisons , geht es, nicht anders als bei der GEO Group Inc. oder CCA, vor allem darum, Geld zu verdienen, Arbeitsplätze zu schaffen, Mittel und Aufträge an Dritte zu vergeben – und mit all diesen Aktivitäten ständig an gesellschaftlicher und politischer Macht zu gewinnen. Gemeinsam ist den privaten wie den staatlichen Unternehmen, dass sie diese Macht, ihren Profit und ihren gesellschaftlichen Einfluss nur steigern können, wenn die Gefangenenzahlen weiter wachsen. Die privaten Gefängnisbetreiber sind dabei nur die Trendscouts in diesem Geschäft, die Trüffelschweine, die herausfinden, wo Expansion noch möglich
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