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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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Jahre. Ihre massenhafte Inhaftierung im Rahmen des war on terror ist – nach dem war on drugs und dem war on crime – die jüngste Variante amerikanischer Kriminalpolitik und schafft einen stetig steigenden Bedarf an Haftplätzen für illegale Einwanderer.
    Die privaten Gefängnis-Unternehmen betreiben den zügigen Ausbau ihres Marktanteils mit Hilfe eines neuen und nicht ganz einfach zu durchschauenden Finanzierungsmodells. Public owned, private managed bedeutet: Haftanstalten werden von privaten Unternehmen gebaut, eingerichtet und betrieben – aber sie bleiben Eigentum des Staates. Die glücklichen Besitzer sind nicht selten bettelarme Countys in dünnbesiedelten Landstrichen – dort, wo der Hund begraben ist. «In den neun Monaten, in denen ich an unserer Südwest-Grenze entlangreiste und elf prison towns besucht habe, stellte ich überall dasselbe fest: Die Gefängnisse dort wurden von privaten Unternehmen eingerichtet und betrieben. Sie lagen alle in zurückgebliebenen ländlichen Regionen, die von den Einheimischen als in the middle of nowhere beschrieben wurden», schreibt Tom Barry.
    Zum Beispiel in Pecos, einer Stadt mit weniger als 10   000 Einwohnern. Die CI Reeves wurde dort Mitte der achtziger Jahre als eines der ersten privaten Gefängnisse Amerikas errichtet – ein innovatives Unternehmen in einer Region, aus der sich andere Wirtschaftsunternehmen zurückzogen: «Die Eisenbahngesellschaften sind weg, das Geschäft mit Rindfleisch, Baumwolle und Öl ist längst vorbei. Pecos war mal ein Zentrum für den Transport und Umschlag von Gütern; heute ist es nur noch für seine Abgeschiedenheit und seinen wirtschaftlichen Niedergang bekannt.»
    In solchen Orten suchen die Gefängnisbetreiber ihre Geschäftspartner unter den Gemeindepolitikern. Eines Tages meldet sich bei ihnen ein Berater, etwa von der Firma Innovative Government Strategies (IGS). Er spricht über unkonventionelle Lösungen, über Hunderte neuer Arbeitsplätze und wirtschaftliche Chancen für die Stadt. Solche Perspektiven lassen verzweifelte Stadtväter aufhorchen. Sie werden zum Essen eingeladen, bekommen teuren Wein serviert und fliegen mit den Beratern irgendwohin, wo es eine neue correctional institution zu besichtigen gibt, die sehr sicher und sehr sauber wirkt. Der Mann von IGS verspricht, alles zu koordinieren: den Gefängnisbetreiber, das Bureau of Prisons , die lokale Verwaltung, die Bauunternehmen und so weiter. Er selbst kassiert, wenn der Deal zustande kommt, ein Honorar in sechsstelliger Höhe.
    Was der Berater nicht so deutlich sagt: Die Gewinne bleiben absehbar beim Unternehmen hängen, die Kosten bei der Gemeinde, das heißt beim Steuerzahler. Auf Dauer kann sich ein Gefängnis als privatwirtschaftliches Unternehmen nicht rechnen, denn die hohen Investitionen werden niemals durch echte Wertschöpfung und wachsende Erträge belohnt.
    Die Betreiber zahlen an die Gemeinden lediglich geringe Kopfprämien, etwa 50 Cent bis zwei Dollar pro Tag und Häftling. Dafür bleibt ihr Unternehmen als öffentliche Einrichtung steuerfrei und bezieht Strom und Wasser kostenlos von der Gemeinde. Die Verträge, die zwischen Gefängnis-Unternehmen, Bureau of Prisons und Stadtverwaltungen abgeschlossen werden, sind für die Stadtväter in der Provinz alles andere als leicht zu durchschauen. «Die finanziellen und vertraglichen Regelungen sind so labyrinthisch, dass nicht mehr eindeutig nachvollziehbar ist, wer wofür verantwortlich ist und haftbar gemacht werden kann», schreibt Tom Barry. Spätestens nach zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren aber ist so ein Gebäude ramponiert, und es entspricht nicht mehr neuesten Sicherheits- und Technikstandards. Die Stadt sitzt dann in der Regel noch immer auf ihren Schulden. Hudspeth County zum Beispiel, ein verarmter texanischer Landkreis mit knapp 3500 Einwohnern, hat sich für einen Gefängnisneubau mit 23,5 Millionen Dollar verschuldet. Sechs Jahre später sind gerade mal 1,7 Millionen abgetragen. Wenn der Vertrag im Jahr 2025 ausläuft, wird das Gefängnis zum Symbol für den geplatzten Traum von wirtschaftlichem Wachstum durch die Entwicklung zur prison town geworden sein. Die Berater aber sind dann längst weitergezogen, an einen anderen Ort, dem ein noch schönerer, modernerer Knast versprochen wird.
    Die Stadtverwaltung von Hardin/Montana weiß, was es bedeutet, sich ein Gefängnis aufschwatzen zu lassen, das niemand braucht: Dort steht die Two Rivers Regional Correctional Facility, die

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