Ich gegen Osborne
Grund, weshalb ich euren Ball absagen ließ.« Ich zeigte auf mein Arbeitsblatt.
»Was?«
»Die Große Dumme Hurerei!« Ich musste den Feueralarm übertönen, und einige aus den anderen Gruppen drehten sich zu mir um und lauschten. Derweil missachteten drei Schüler Ms. Leslies klare Anweisung und verließen den Kursraum.
»Alle kommen sofort zurück!«, schrie sie in den Flur. »Alle anderen bleiben hier. Ich bin gleich wieder da.«
»Große dumme Huren? Was sülzt der Motherfucker jetzt wieder rum?«
Ich stand auf. Warum ich aufstand, wusste ich nicht. Meine Beine zitterten. Ich übertönte den Alarm: »Ich [346] meine damit alles. Alles. Es ist euer MTV und eure Super Bowl und euer Spring Break und ganz besonders, ganz besonders, euer Abschlussball. Der Ball ist die zentrale Veranstaltung für die Große Dumme Hurerei. Und darum hab ich es gemacht. Hört ihr mich? Das ist der wahre Grund. Ich wollte die Große Dumme Hurerei stoppen. Ihr alle solltet mir danken.«
Sie buhten mich aus, als wäre ich irgendein Bösewicht beim Wrestling.
»Merkt ihr nicht, dass ich euch helfen will? Das Leben hat mehr zu bieten als Sperma und Explosionen.«
Sie beschimpften mich und warfen Papierknäuel und spuckegetränkte Papierkügelchen, einige davon blieben an meinem Jackett kleben, einige Papierknäuel prallten von mir ab, aber sie konnten mich nicht aufhalten. Als ich sprach, legten sich meine Magenschmerzen.
»Es sind eure Grammys und eure Emmys und euer Sex and the City und eure Werbespots, Marky Mark, alle Blockbuster, wegen denen ihr an der Kinokasse ansteht, dieser Trend zum Horrorfilm, jeder Radiosender, das Einkaufszentrum, eure Kleidung…«
Der hinter mir sitzende Junge hopste nun auf und nieder und stieß mit seinem Bleistift in die Deckenplatte, bis er sie so gründlich punktiert hatte, dass ein großes Stück zu Boden fiel.
»…doch wichtiger als alles andere ist der Ball. Und damit meine ich diesen einen Ball, den Abschlussball, an dem euer ganzes Herz hängt.«
»Regst du dich ab ?«, schrie Sweeney. »Es ist nur eine Tanzveranstaltung.«
[347] »Genau! Es ist nur ein Tanzveranstaltung, in die ihr eure ganze Energie investiert. Denkt mal an die vielen hungrigen Münder, die ihr stopfen könntet. Eure ganze Energie gilt den falschen Dingen. Begreift ihr das denn nicht?«
Der Junge, der gern auf seinem Stuhl nach hinten kippelte, fiel endlich um und schrie auf vor Schmerzen. Der Alarm wurde noch lauter.
»Was willst du denn von uns?«, fragte Sweeney, der inzwischen stand. »Was sollte man am besten mit seiner Energie anfangen, Klugscheißer? Sollten wir uns alle einen schwulen kleinen Anzug kaufen?«
»Nein. Schließt euch in euren Zimmern ein. Das solltet ihr machen. Ihr habt alle solche Angst davor, allein zu sein. Schließt euch –«
»Halt verdammt noch mal das Maul, Weinbach.«
»Du bist der Anführer der Großen Dummen Hurerei, Sweeney. Wusstest du das?«
Der Alarm verstummte.
»Ich weiß nur, dass es nicht schnell genug Viertel nach drei werden kann«, sagte Sweeney und machte wieder sein Gang-Symbol, was unsere Mitschüler zu »Jawoll«- und »Wuhu«-Rufen anspornte.
»Du tust mir leid, Sweeney. Du und deine Gang-Symbole. Die Sorte Coolness, nach der du so strebst – sie ist für dich unerreichbar. Du kannst noch so viele Rap-Videos imitieren, du kannst dich aufführen wie ein Gangsta, du kannst reden wie ein Gangsta, aber du bist weiß, und dagegen kannst du überhaupt nichts machen.«
»Scheißschlampe! Ich sollte dich gleich hier umbringen.«
[348] »Warum tust du uns nicht allen einen Gefallen und bringst dich selbst um?«
Der Kurs stieß ein kollektives »Uuh« aus. Sweeney machte einen Schritt auf mich zu.
»Scheißwaisenkind. Glaubst du, es juckt mich einen Scheißdreck, dass dein Dad gestorben ist? Das passiert Leuten eben, die Kinder kriegen, wenn sie schon Senioren sind!«
Plötzlich herrschte kurz Stille.
»Verdammt, Schweini. Das war übel.«
Ich schleuderte mein Pult beiseite, das umfiel. Mein ganzer Körper kochte vor Wut, ich hielt mein Gesicht eine Hand breit vor seines. Ich war nur etwa zwei Zentimeter größer als er.
»Reg dich ab«, sagte er.
Kaum hatte der Speichel meine Lippen verlassen, wusste ich, dass es ein Fehler gewesen war. Wundersamerweise verfehlte ich ihn.
»Mach’s noch mal. Spuck mich nochmal an. Spuck mich nochmal an, und wart ab, was passiert.«
»Nein. Schlag mich doch. Du willst mich so gern schlagen. Bring’s hinter dich.
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