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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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Trichter gab es in dem Museum, das wir als Grundschüler besucht hatten. Man warf eine Münze in den Schlitz, die dann im Kreis herumrollte, und je weiter die Münze in den Trichter geriet, desto schneller rollte sie, bis sie irgendwann so schnell herumwirbelte, dass man [355]  glaubte, sie geriete außer Kontrolle. Das Rollen wurde immer lauter, und am Ende raste die Münze so schnell, dass man sie nur noch verschwommen wahrnahm, bis der Lärm ganz plötzlich aufhörte, weil die Münze in das Loch am unteren Trichterende gefallen war. In meinen Roman würde ich irgendwie einen Museumsbesuch einbauen, und die Münze würde den Menschen verkörpern und der Trichter die Zeit.
    Nein, ich würde nicht aufhören zu schreiben. Als ich mich in diesem Kurs umsah, den Jungen bemerkte, der dafür berüchtigt war, dass er mitten während des Vortrags eines Lehrers ejakuliert hatte (und anschließend den Beleg herumzeigte), und das Mädchen, das dafür berüchtigt war, dass sie ihre sechzigjährige Sportlehrerin geschlagen hatte, beschloss ich, heutzutage einen Roman zu schreiben, sei eine Trotzreaktion. Selbst wenn keiner je ein von mir geschriebenes Wort las, selbst wenn mein Text so wenig ankam wie der in Slims Kurs, so gab es schlechtere Möglichkeiten des Zeitvertreibs, als über diese Münze zu schreiben, von der man sich wünschte, dass sie langsamer rollen würde.
    14 . 13   Meine Mitschülerinnen und Mitschüler nutzten die letzte Minute des Kurses für Verbalinjurien, dabei verwendeten sie ihr dürftiges Vokabular, um Schimpfwörter zu bilden, die so derb waren, dass ich sie nicht in den Mund genommen hätte. Zum Glück klingelte es, so wie eine Glocke das Ende einer Runde im Boxring anzeigt.
    Jetzt musste ich zum letzten Mal an diesem Tag den Weg zu meinem Spind antreten. Als ich in den Flur trat, fragte ich mich, wie viele Leute wussten, was ich getan [356]  hatte. Tatsächlich zog ich ungewöhnlich viele Blicke auf mich, vergleichbar mit dem ersten Tag, als ich im Anzug in die Schule gekommen war. Etliche Schüler schienen mir etwas sagen zu wollen, und als sich die Flure füllten, fiel mir auf, dass die anderen sich gegenseitig auf mich hinwiesen, was es mir leichter machte, mich in Chloes Lage zu versetzen.
    Weil der Weg zu meinem Spind so weit war, wusste ich, dass ich es wohl kaum dorthin schaffen würde, ohne den einen oder anderen unangenehmen Spruch zu hören. Die meisten dieser Sprüche kamen von hinten, von irgendwelchen Paaren, die sich über mich aufregten.
    »Arschloch«… »Schwuchtel«… »So isses richtig. Geh nur weiter, Schlampe.«
    Ich war klug genug, mich nicht umzudrehen. Es folgten rasch hintereinander zwei Zwischenfälle, die mich in beträchtliche Angst versetzten. Ich wollte soeben an der Sprecherin der zwölften Klassen vorbeigehen, mit der ich mich immer gern unterhielt, da unsere Mütter miteinander bekannt waren (und unsere Großväter waren sogar Freunde gewesen), deshalb lächelte ich und wollte gerade etwas sagen, als sie mir den Stinkefinger zeigte. »Oh«, sagte ich. »Alles klar.« Danach kam ich an Mr.   Dawson vorbei, meinem Englischlehrer aus der neunten Klasse. Ich hatte ihn so gemocht, dass ich plante, während meines Studiums mit ihm in Briefkontakt zu bleiben. Wie immer begrüßte ich ihn, doch er musterte mich missbilligend wie eine alte Oberlehrerin und sagte: »James, in der letzten Stunde habe ich mit einer Schülerin gesprochen, die die meisten Leute wohl für eine Streberin halten würden, und sie sagte, der [357]  Ball sollte ihr einziger Abend werden, an dem sie sich in Schale werfen, hübsch sein und alles vergessen konnte.«
    »Richten Sie ihr aus, es täte mir leid.«
    Ich ging weiter. An dieser Stelle beschloss ich, auf dem restlichen Weg den Blick nur noch auf den graubraunen Teppichboden zu richten. Als ich endlich bei meinem Spind angekommen war, sah ich ein Paar Arbeitsschuhe und ein Paar Adidas.
    »Verzeihung.«
    Zum ersten Mal redete er mit mir. »Wenn du willst, dass ich mich bewege, sorg dafür, dass ich mich bewege.«
    »Bitte. Würdet ihr einfach nur nett sein?«
    » Teufel nein, wir werden nicht nett sein«, sagte seine Freundin. »Nicht nach dem, was du gemacht hast.«
    Als ich den Jungen anstarrte, der meinen Spind blockierte, und überlegte, wie ich damit umgehen sollte, fiel mir auf, dass jemand mit schwarzem Stift etwas auf meine Spindtür geschrieben hatte.
    »Hast du etwas auf meinen Spind geschrieben?«
    »Nein, aber ich sehe es

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