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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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genauso.« Er rückte beiseite. Über die gesamte Länge meines Spinds hatte jemand mit Marker geschrieben: JAMES WEINBACH IST EIN SCHWANZLUTSCHER .
    Vergeblich versuchte ich, die Schrift mit der Hand abzuwischen. Das Paar lachte und ging. Als ich an dem Schloss herumfummelte, sah ich Lavell durch den Flur kommen. Vielleicht war es aus purer Gewohnheit, doch ich horchte in mich hinein, fand ein Lächeln für ihn und sagte: »Hey.« Wieder zeigte er keine Reaktion. Dann ging mein Schloss nicht auf. »Scheiße«, sagte ich und schrie: »Herrgott noch [358]  mal, Lavell, würde es dich umbringen zurückzugrüßen? Ich kenn dich seit deinem Stimmbruch.« Er blieb volle zwei Sekunden stehen und ging dann weiter, ohne sich umzudrehen. Und wenn schon, dachte ich. Die halbe Schule wollte mich verdreschen. Was machte da einer mehr aus?
    Beim zweiten Versuch gelang es mir, meinen Spind aufzuschließen. Ich öffnete die Tür bis zum Anschlag, um die Obszönität zu verdecken. Als ich gerade überlegte, in welchen Fächern ich Hausaufgaben hatte, hörte ich jemanden mit affektierter, hoher Stimme rufen: »Wie konntest du mir das nur antun!?«
    Ich drehte mich um und sah, dass die Stimme Brock gehörte. Er, Shelley und Jeff kamen zu meinem Spind. Die drei zogen häufig gemeinsam durch die Flure, was ich nervig fand.
    »Alter, du bist ja ein schlimmer Finger«, sagte Brock und knetete mir kurz die Schulter.
    »Danke.«
    »Ich hatte keine Ahnung, dass du so ein Punkrocker bist«, sagte er.
    »Du siehst mitgenommen aus«, befand Shelley.
    »Ach ja?«
    »Ja. Du hast Glubschaugen. Du siehst gestresst aus.«
    »Natürlich sieht er gestresst aus«, sagte Brock. »Er hat ja auch die ganze Schule am Arsch. Hey, wenn dir jemand Ärger macht, halten wir dir den Rücken frei.«
    »Wirklich? Angeblich wollen mich nach der Schule einige Typen verprügeln, auf dem Parkplatz.«
    »Keine Bange«, sagte der stämmige, kräftige Jeff. »Wir halten dir den Rücken frei.«
    [359]  »Wow. Danke. Das weiß ich sehr zu schätzen.«
    »Ich sollte dir danken«, sagte Jeff. »Summer wollte mich mit auf den Ball schleppen. Du hast mich gerettet.«
    »Wie hast du das eigentlich geschafft?«, fragte Shelley. »Ich hab alle möglichen Erklärungen gehört.«
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    Ein niedliches, rothaariges Mädchen kam näher und sagte: »Du bist doch James Weinbach, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Ich schreibe für die Schulzeitung einen Artikel über die Absage des Balls und möchte dir gern ein paar Fragen stellen.«
    »Du kommst in die Zeitung!«, sagte Brock. »Wir überlassen dich deinem Schicksal.«
    Sie verabschiedeten sich und wollten gehen. »Moment«, sagte ich. »Nach der Schule – ich parke weiter hinten auf dem mittleren Parkplatz.«
    »Wir finden dich schon«, sagte Brock.
    »Wollen wir uns in der Schule treffen? Ich verlasse das Gebäude am Dreihunderter-Flur.«
    »Klar. Wir finden dich.«
    An den Rotschopf gewandt, sagte ich: »Ich weiß nicht recht, ob ich einen Kommentar abgeben soll.«
    »Die Leute wollen bestimmt deine Version der Geschichte hören. Ich hatte eigentlich gehofft, wir könnten ein längeres Interview führen, wann immer es dir passt.«
    »Versteh mich nicht falsch, aber das möchte ich nicht. Bestimmt würde ich irgendwas Falsches sagen und Ärger kriegen.«
    »Bist du dir sicher?«
    [360]  »Ja.«
    »Ich bekomme nicht mal ein Zitat von dir?«
    »Tut mir leid«, sagte ich.
    »Ist das dein Zitat?«
    »Nein. Das heißt, es tut mir leid, dass ich dir nicht helfen kann.«
    »Okay. Trotzdem danke.«
    Als sie weg war, ging ich innerlich noch einmal meine Kurse durch und überlegte, in welchen es Hausaufgaben gegeben hatte, musste aber immer wieder neu anfangen, weil mir einige bohrende Gedanken keine Ruhe ließen: Zum ersten Mal in vier Jahren wollte die Schulzeitung etwas von mir. Und es war auch das erste Mal, dass mich Brock, Shelley und Jeff je aufgesucht hatten. Man sollte meinen, dass ich diese beiden Ereignisse begrüßte, doch stattdessen machten sie mich misstrauisch wie einen streunenden Hund, den man endlich ins Haus lässt, der sich aber unwillkürlich fragt, was die Leute von ihm wollen.
    Ich kam zu dem Schluss, dass ich meine Algebra-, Deutsch- und Englisch-Literatur-Bücher mit nach Hause nehmen musste (heute wäre ein Rucksack nicht verkehrt gewesen). Ich machte meine Spindtür zu und überlegte, was ich wegen der Schmiererei tun sollte. Zu Mr.   Runnels zu gehen, war mir peinlich. Ich könnte mich

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