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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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Schlimmsten.« Sie musterte mich kurz, als wüsste sie, dass ich über meine Behauptung lächeln würde, was ich auch tat (kaum merklich).
    [92]  »James!«, sagte sie und gab mir einen Klaps auf die Schulter. Als sie lächelte, überkam mich der Drang, einen Finger in jedes ihrer ansehnlichen Grübchen zu stecken. »Das willst du also werden? Schriftsteller?«
    »Das wird zwar nicht passieren, aber es stimmt, ja.«
    »Es wird passieren. Ich will Schauspielerin werden. Das oder Tänzerin.«
    Immer mehr Schüler kehrten an ihre Arbeitsplätze zurück, und Stephanie musste aufstehen, um den vor mir sitzenden, guterzogenen Bauernjungen auf seinen Platz zu lassen. Sie stellte sich neben mein Pult und fragte: »Mit wem gehst du denn nun zum Abschlussball?«
    »Mit niemandem. Ich geh nicht auf diesen blöden Ball.«
    »Wieso denn nicht?«
    »Wenn ich da wäre, wüsste ich nichts mit mir anzufangen.«
    »Du musst nichts weiter tun als tanzen.«
    »So wie ihr heutzutage tanzt, kann ich nicht tanzen.«
    »Du meinst à la Dirty Dancing ?« Während sie das sagte, drehte sie sich rasch herum und rieb ihren verführerischen Hintern an meiner Schulter. Ich schaute mich um, ob jemand hinsah. Auch als sie mich nicht mehr berührte, spürte ich immer noch ihren Druck auf meinem Arm wie von einer Phantom-Nackttänzerin.
    Da ich nicht den Eindruck erwecken wollte, als hätte das irgendeine Auswirkung auf mich, redete ich weiter. »Es war nett, wie früher getanzt wurde. Ich sehe mir viele alte Filme an, und wie da die Leute tanzen – das hatte wirklich Klasse. Doch das war einmal. Heute hat niemand mehr Klasse. Sie können ihre Gesellschaftskleidung und ihre [93]  Smokings tragen, solange sie wollen, Klasse kriegen sie davon nicht.«
    »Die langsamen Tänze sind immer noch schön. Dabei wird die Beleuchtung gedämpft. Es kann romantisch sein.«
    »In einer Sporthalle?«
    Sie lachte. »Du musst gar nicht tanzen. Eine Menge Leute hängen einfach nur ab.«
    »Nicht einmal dazu bin ich in der Lage. Und ich müsste mir ihre gottserbärmliche Musik anhören. Ihre Musik ist so schlecht, dass sie die Leute vermutlich in einen frühen Tod treibt.«
    »Ja-ames.«
    »Mir hat seit Jahren kein Song mehr gefallen.«
    »Warum machst du alles so runter ?«
    »Glaub mir, ich habe gute Gründe dafür.«
    »Und zwar?«
    »Weiß auch nicht.«
    »Du solltest hingehen. «
    »Warum interessiert es dich, ob ich gehe oder nicht?«
    »Weil du es eines Tages vielleicht bereust, wenn du nicht gehst.«
    »Eigentlich habe ich mich immer darauf gefreut, als Erwachsener zu sagen, dass ich nicht auf meinem Schulabschlussball war.«
    »Oh, du nimmst dich dermaßen wichtig. Es ist doch nur eine Tanzveranstaltung.«
    »Klar ist es nur eine Tanzveranstaltung, aber es ist auch alles, was ich hasse, in einen fetten, aufgedunsenen Abend gepackt.«
    »Aber –«
    [94]  »Vier Jahre Idiotie kulminieren in diesem Abend.«
    »Du bist sowas von schlecht drauf. Jetzt, wo mich Hamilton sitzenlässt, gehe ich mit Matt Sabatino.«
    »Aha.« Für einen Schönling war Matt ein ziemlich netter Kerl.
    »Es wird peinlich werden, weil Matt mit Hamilton befreundet ist, und wir sitzen wohl alle in derselben Limousine und gehen in dasselbe Restaurant wie Hamilton und Chloe.«
    »War denn Hamilton dein fester Freund ?«, fragte ich irritiert.
    »Nein. Das heißt, mal sind wir zusammen, dann trennen wir uns wieder, aber ich dachte, wir beide hätten fest vereinbart, dass wir gemeinsam auf den Ball gehen. Aber offenbar hat deine Freundin einen bleibenden Eindruck auf ihn gemacht.«
    »Ich wünschte, du würdest sie nicht dauernd meine Freundin nennen.«
    »Wieso? Ist sie’s etwa nicht?«
    »Irgendwie vielleicht schon, doch ich glaube nicht, dass Männer und Frauen Freunde sein können.«
    »Warum nicht?«
    »Das ist eine rundum ungesunde Vorstellung. Ich weiß, mit dieser Auffassung bin ich in der Minderheit, aber ich bin wohl ein Sonderling.«
    »Ich habe jede Menge männlicher Freunde. Genau genommen bin ich überwiegend mit Jungs befreundet.«
    Und hast wahrscheinlich mit jedem Einzelnen von ihnen geschlafen, dachte ich.
    »Wie gesagt, ich bin ein Sonderling.«
    [95]  »Wirklich schade, dass du es so siehst. Ich dachte, vielleicht könnten wir beide Freunde sein.«
    Mir kam der Gedanke, dass es für mich als Asexuellen nun unkomplizierter war, mit einem Mädchen befreundet zu sein. Doch die konnten mich alle mal. Es war besser, man ließ sich auf nichts ein. Ich ertappte mich dabei,

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