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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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vermutlich die Person in der Geschichte der Menschheit, die ich am meisten verabscheute.
    »Ja«, fuhr Stephanie fort. »Was keine so große Sache wäre – das heißt, eine Menge Leute fangen etwas miteinander an, wenn sie da unten sind. Doch bei ihr hätte man es einfach nicht erwartet.«
    »Aha.«
    »Es war in einer der Ferienwohnungen, wo die Osborne-Leute Party gemacht haben. Sie haben beide geschrien und so, als ob sie wollten, dass die anderen sie hörten.«
    »Herrje. Da hat sie sich aber echt die Hörner abgestoßen, oder?«
    »Das kannst du laut sagen.« Neben der Gefühlsmurmel, die im Zentrum meiner Eingeweide wie wild rotierte, hatten offenbar alle meine Nerven in den tieferen Gedärmen einen kompakt-flüssigen Wirbel gebildet. Ich schien mein [83]  Magen zu werden, als breite er sich überall in mir aus. »Und jetzt gehen sie und Hamilton zusammen auf den Ball, was komisch ist, weil er eigentlich mit mir gehen wollte, aber was soll’s.«
    »Darauf, dass die beiden mal ein Paar werden, hätte ich nie getippt«, sagte ich ruhig.
    »Ich auch nicht. Aber anscheinend sind die beiden ganz schnell dicke Freunde geworden.«
    Ich musste diese Information beiseiteschieben und mich auf das konzentrieren, was das Lehrbuch als Nächstes verlangte. Die andere Sache musste ich erst mal ausklammern.
    Doch wenn ich das zweite Wort las, hatte ich das erste schon vergessen. Und der Aufruhr in mir ließ sich nicht länger unterdrücken.
    »Verzeihung.«
    9 . 01   »Ihr müsst dieses Dingsdabumsda nehmen und es da reinfallen lassen, und –«
    »Verzeihung, Ms. Calaway. Entschuldigen Sie die Störung, aber darf ich bitte auf die Toilette gehen?«
    »Nein – aber weil Sie so selten fragen, wüsste ich nicht, was dagegen spricht. Ich schreibe Ihnen mal eben einen Passierschein.«
    Tatsächlich hatte ich noch nie gefragt. Auf den Toiletten von Osborne High gab es böse Schwingungen, und ich bemühte mich, sie möglichst selten zu frequentieren (sehr zum Leidwesen meiner Blase). Meine Gedärme in eine Schultoilette zu entleeren, wäre vor dem heutigen Tag undenkbar gewesen. Ich folgte Ms. Calaway zu ihrem unaufgeräumten Pult. Sie kritzelte ihre Unterschrift und die [84]  Uhrzeit auf einen Passierschein, den sie von einem Block abriss.
    Ich dankte ihr und ging langsam Richtung Tür, doch sobald meine Schuhe den Teppichboden des Flurs berührten, beschleunigte ich und verfluchte den Flur, weil er so lang war. Ich sah zur Decke, an der alle sieben, acht Meter schwarze Plastikkuppeln befestigt waren. Im Kuppelinneren hingen Videokameras, was an Orwells Roman 1984 erinnerte, den ich gerade für den Englischkurs in der fünften Stunde las, an dem auch Hamilton Sweeney teilnahm.
    Er war nicht der beliebteste Schüler auf Osborne (das war wohl Tate Baker); er war der zweitbeliebteste. Beliebtheit war für mich nicht gleichbedeutend mit Bosheit. Ich hatte gelernt, dass man durchaus beliebt sein konnte, ohne sich einzuschleimen. Sweeney schleimte. Ich konnte ihn seit unserem ersten Jahr auf der Highschool nicht ausstehen, als wir gemeinsam Weltkulturen hatten und er am ersten Tag, als jeder sich vorstellte, sagte: »Falls es einer noch nicht weiß: Ich bin Hamilton Sweeney.« Er war einer von der Sorte, die in Kursen vorbeischauten, die sie nicht belegt hatten, nur weil sie sich berechtigt fühlten, ihre Freunde zu besuchen. Ich erfand einen Spitznamen für ihn, den Chloe und ich regelmäßig benutzten: »Gottesgeschenk«, wie in »Gottes Geschenk an die Menschheit«. Chloe hatte Gottesgeschenk bekommen, was sie wahrscheinlich schon immer gewollt hatte.
    Endlich: Ich war an der Tür zum Jungsklo angekommen. Ein Stoßgebet wurde erhört, als ich sah, dass niemand drin war. Ich entschied mich für die am weitesten vom Eingang [85]  entfernte Kabine. Die untere Türhälfte war zwar eingetreten, aber wenigstens hatte sie noch ein Schloss. Rasch hängte ich mein Jackett über die Tür, dann drehte ich mich um und bemerkte angewidert, dass der letzte Anwesende mir nicht den Gefallen getan hatte, seine Exkremente wegzuspülen. Das war mir immer schon ein Rätsel gewesen. Wie kam jemand auf so eine Idee? War da jemand so stolz auf sein Werk?
    Doch eigentlich, sagte ich mir im Stillen, ist es ganz einfach:
    Die Leute tun verdammt nochmal das, wonach ihnen der Sinn steht, und damit hat sich’s.
    9 . 03   Ich spülte nach, während es geschah.
    Es war ärgerlich, da ich das heute vor dem Aufbruch in die Schule nicht nur ein-, sondern

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