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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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dass ich mit ihren nackten Beinen sprach, die in Jeans-Shorts steckten, die vermutlich kaum eine Hand breit über den Schritt reichten. »Wie wär’s, wenn wir einfach Laborpartner bleiben?«
    »Zurück an die Pulte, Leute.«
    »Einverstanden«, sagte Stephanie. »Laborpartner.« Dabei blinzelte sie mir zu und hielt mir die Hand hin, mit der sie die Hälfte der Jungs auf Osborne betatscht hatte. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie zu schütteln.
    9 . 18   Es folgte eines der mir seit der ersten Klasse verhasstesten schulischen Rituale: Eine Lehrerin rief Schüler willkürlich auf. Allerdings ließ ich mich davon nicht so irritieren wie gewöhnlich, weil ich gründlich abgelenkt war. Ich konnte den Blick nicht von Stephanie wenden. Sie hatte sich so hingesetzt, dass ich ihre nackten Beine sah, und obwohl ich mich sehr bemühte, musste ich immerzu hinsehen. Weswegen ich mich selbst verachtete.
    »Welche Wirkung hatte das auf das Jod?… Timothy?« Es tat mir leid, dass Timothy antworten musste, doch besser er als ich.
    Das Mädchen hatte sogar hübsche Arme. Wieso fand ich das nicht abstoßend?! Sie war die Sorte Mädchen, die Kinderkram wie Antz – Was krabbelt da? für erstklassige Filme [96]  hielt, doch schlagartig zur erwachsenen Pornodarstellerin mutierte, sobald sie mit einem Jungen allein war. Bestimmt saß sie gerade da und wünschte sich, ihr Pult wäre ein Mann.
    »Josh und Erin – Ruhe. Jetzt wird nicht gequatscht.«
    Warum war ich so, wie ich war? Woher kam meine Tendenz zur Selbstverleugnung? Wieso konnte ich das nicht abstellen?! Ja, ich fühlte mich unbestreitbar zu ihr hingezogen und war von ihrer Freundlichkeit und ihrer Arbeitsmoral angenehm überrascht, hatte aber mit diesem Mädchen nichts gemein. Während wir arbeiteten, hörte ich sie irgendwann leise einen erschreckend schlechten Popsong trällern, es ging um »rockin’ your body«. Warum konnte ich mich nicht von ihnen allen befreien?! Ja, ich fühlte mich zu ihr hingezogen, aber nicht zu ihrem Verstand. Sich zu einem Körper und zu einem Verstand hingezogen zu fühlen – das wäre mal was. Das wäre…
    Tja, das wäre dann wohl Chloe.
    »War es eine exotherme oder eine endotherme Reaktion?« Wieder verschonte mich Ms. Calaway und rief Pippin auf. Um meine Augen von Stephanie und meine Gedanken von Chloe abzulenken – die beiden verschmolzen allmählich zu einer Einheit –, schrieb ich etwas in mein Lehrbuch. Jedes Jahr wurden dieselben Bücher verwendet, und mir gefiel die Vorstellung, dass in fünf Jahren irgendein Schüler meine Nachricht las und sich fragte, wer das wohl geschrieben hatte. Ich entschied mich für mein Standardzitat: »Die guten alten Zeiten sind ein für alle Mal vorbei, und das ist eure Schuld.«
    Doch Chloe ließ mir keine Ruhe. O Chloe, dachte ich. [97]  Sag, dass es nicht wahr ist. Aber selbst wenn es wahr sein sollte, könnte sie sich nicht von jetzt an für mich aufbewahren? Ob die Berichte über ihre Spermataufe stimmten oder nicht, für mich war Chloe mehr als eine Ansammlung von Körperöffnungen, und ich könnte ihre Hand halten, während sie den Resetknopf an sich drückte.
    Es stimmte, ich stand total auf sie! Ich konnte mich nicht entfernen, mich ihr nicht dauerhaft entziehen, sie nicht ein für alle Mal zurückweisen, mir dieses Verlangen nach ihr nicht austreiben, das nur Minuten später wieder neu auflebte. Ich sah meine Mitschüler an und dachte an all die Herzen, die an diesen Pulten vor sich hin pumpten. Ich unterschied mich kein bisschen von ihnen.
    »Und was geschah, als Sie das Chlorid hinzugaben?« Ms. Calaways Blick blieb an mir hängen, doch im selben Moment, als ihr Mund ein »J« formte, klingelte es zur Pause. »In Ordnung. Wir beenden dieses Gespräch morgen. Geben Sie Ihre Laborergebnisse auf dem Weg nach draußen ab.«
    Beim Aufstehen versuchte ich, einen letzten langen Blick auf Stephanie zu erhaschen, als sie unsere Ergebnisse abgab, doch vorn drängten sich zu viele Leute, und ich sah nur ein Stückchen weißes Fleisch. Ich schaute auf die Uhr. Meine Laufbahn als Asexueller hatte gerade mal 57   Minuten gedauert.
    9 . 22   Da ich nun wusste, dass sich meine Gefühle für Chloe nicht so leicht abschalten ließen, musste ich herausfinden, was an diesen Gerüchten über ihre Ausschweifungen dran war. Normalerweise traf Chloe früh im Kursraum ein, so dass ich – angenommen, der Pünktlichkeitsaspekt ihrer [98]  Persönlichkeit hatte sich während der Ferien nicht

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