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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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geändert – noch mit ihr reden konnte, ehe Kreatives Schreiben begann. Insgeheim übte ich schon die dezent-zurückhaltende Art, mit der ich das Thema ansprechen wollte.
    Ich eilte zu meinem Spind, um mein Chemiebuch gegen Schreibhefter und Notizbuch einzutauschen. Als ich die Kombination meines Spindschlosses eingab, schlenderte Tommy Herlihy heran, für mich das, was einem Freund am nächsten kam.
    Tommy hatte blondierte Haare und trug schwarze Chuck Taylors und eine schlabbrige Cordhose. Er war ein echtes Original, wie der Nachbar in einer Screwball-Komödie, aber mit Tiefgang. Hinter dem absurden Humor (»Das ist so, als würde man Badewasser trinken – es erscheint irgendwie logisch, aber man macht’s einfach nicht.«) und dem schläfrigen Auftreten (man hatte immer den Eindruck, dass er soeben aus einem langen Nickerchen aufgewacht war) verbarg sich ein höchst kreativer, aber mit Problemen belasteter junger Mann.
    »Hast du das von Chloe gehört?«
    »Ja«, antwortete ich bedrückt.
    »Was mich echt überrascht, ich hätte gedacht, sie wäre zu etepetete für Pustebalg.«
    »Pustebalg?«
    »Jawoll. Sie hat Tate Baker einen geblasen. Und vielleicht auch ein paar anderen Kerlen.«
    »Großer Gott!«
    »Was denn?«
    »Das hatte ich noch nicht gehört. Hat sie eigentlich da unten auch mal geschlafen ?«
    [99]  »Mit Typen geschlafen, ja.«
    »Was ist mit diesem Mädchen nur passiert ?«
    »Sie hat wohl entdeckt, dass sie Pimmel mag. Und zwar sehr.«
    »Tut mir leid, aber ich muss los. Sie ist in meinem nächsten Kurs. Ich muss sie danach fragen.«
    »Mach das bloß nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Dann wird sie echt sauer. Würdest du wollen, dass dich jemand nach all den Kerlen fragt, die du in Florida genagelt hast?«
    »Aha, ich verstehe, wie das läuft. Sie kann den ganzen Scheiß machen, aber es gehört sich nicht, darüber zu reden ? Sie kann nach Belieben rumvögeln, ist aber zu prüde, um es auszusprechen?«
    »Jau. Genauso isses. Verlier kein Wort darüber, Mann. Vertrau mir.«
    »In den letzten drei Monaten hat sie mich dauernd angerufen, mir stundenlang ein Ohr abgekaut. Habe ich da keine Erklärung verdient?«
    »Sollte man meinen, aber du machst sie damit nur stinkig. Sag kein Wort.«
    »Ich kann nicht nichts dazu sagen. Wir sehen uns später.«
    »Bis dann.«
    Ich knallte meine Spindtür zu und rannte fast zum Kursraum, vor dessen Tür Slim stand.
    »James!«, sagte er. Er nannte einen zur Begrüßung immer beim Namen.
    »Slim«, sagte ich mit einer leichten Verbeugung. Ich ging an ihm vorbei in den Raum.
    [100]  »James, Moment.« Ich blieb stehen. Mit noch leiserer Stimme als gewohnt, fuhr er fort: »Ich habe das mit Ihrem Vater gehört. Es tut mir leid.«
    »Danke.«
    »Ich wäre zur Beerdigung gekommen, habe aber an dem Tag meine Tochter in Colorado besucht.«
    »Ist schon in Ordnung. Ich verstehe.« Ich überlegte, das Thema zu wechseln, wollte aber nicht zu oberflächlich wirken, weshalb ich schwieg, so dass wir beide dastanden und nicht wussten, wo wir hinsehen sollten.
    »Sie hätten heute nicht kommen müssen. Falls Sie mehr Zeit brauchen, Sie verstehen schon.«
    »Ich weiß. Aber mein Text soll heute kritisiert werden, und ich kann es kaum erwarten zu hören, was sie zu sagen haben.«
    »Sie sollten eine Menge zu sagen haben. Es ist ein interessanter Text.«
    »O nein. Interessant ist ein Euphemismus, das sagt jemand, wenn ihm etwas nicht gefällt, ihm aber nichts Besseres einfällt. Das sagt man zu einem Mann, der sich eine Dauerwelle machen lässt.«
    Slim lachte. »Es war so interessant, wie es nur sein kann. Ich fand es großartig.«
    »Danke sehr.« Ich fragte mich unwillkürlich, ob ich diese Beurteilung der Tatsache verdankte, dass mein Dad gestorben war. »Wollten Sie noch über etwas anderes sprechen?«
    »Nein. Wir sehen uns im Kurs.«
    Chloe saß tatsächlich schon da, über ein paar Blätter gebeugt, und schrieb. Wie immer waren alle Pulte kreisförmig angeordnet. Ich setzte mich neben Chloe und ihre neuen [101]  Schuhe. Hinter uns an der Wand hing ein Schwarzweißposter von Bobby Kennedy, einer von Slims Helden.
    »Hey, Chloe.«
    »Hey.« Sie sah mich nicht einmal an, was mich wütend machte. Das und die eben erst erfolgten intimen Enthüllungen durch Tommy ließen mich die erwähnte, fest geplante dezente Zurückhaltung vergessen.
    »Stimmt es?«
    Jetzt sah sie mich an. »Stimmt was ?«
    »Das über dich in Panama City?«
    » Was über mich in Panama City?«
    »Also, wie

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