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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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erfahrt, nämlich dass auch Woolworth schon lange selbst an der Krankheit leidet. Und auf der letzten Seite erfährt man, dass er sogar als Einziger an ihr erkrankt ist. Deswegen leidet er an Realitätsverlust, und er ist überzeugt davon, dass sein Leben nur ein Buch ist. Es lässt sich schwer erklären – es ist eine seltsame metaphysische Sache –, aber wie sich herausstellt, spielte sich mein Buch ausschließlich in seinem Kopf ab.«
    »Hm«, machte Slim.
    »Das war’s. Danke für eure Aufmerksamkeit.«
    »Das heißt doch, was Woolworth erlebt, ist nicht real?«, fragte Slim.
    »Äh, irgendwie schon. So ziemlich. Warum?«
    [143]  »Da könnte man doch auch sagen, das ganze Buch sei nur ein Traum gewesen, nicht wahr? Was ich vorhin angesprochen habe?«
    »Eigentlich nicht. Er hat das alles erlebt, aber seine Wahrnehmung war getrübt weil – stimmt. Okay. In Ordnung. Sie haben Recht. Ich ändere das.«
    »Sie müssen es nicht ändern. Ich fände es nur schade zu erfahren, dass sich der gesamte Roman auf ein Hirngespinst reduzieren lässt.«
    Ich wollte nicht mehr reden.
    Ich hatte versagt. Mein Text hatte versagt. Diese Stadt würde nicht zulassen, dass ich mich aus ihr hinausschrieb. Man würde die Regeln nicht ändern, und falls doch, würden die Mannschaften völlig unterschiedlich stark sein. Keiner würde je seine Meinung über mich oder sonst etwas ändern.
    10 . 17   Als alle mir meinen Text zurückgaben und ich endlich Gelegenheit hatte, durchzuatmen, ging mir erst auf, was gerade geschehen war. Ich spürte, wie meine Emotionen von innen gegen die Augäpfel drückten, und sogar die Luft um mich herum fühlte sich schwer an.
    »Tut mir leid«, sagte Chloe leise, als sie mir die Papiere gab. »Ich wusste ja nicht, dass so etwas passieren würde.«
    Ich öffnete den Mund, um ihr zu sagen, das sei schon okay, doch mein Hals war wie zugeschnürt, und ich hatte das Gefühl, wenn ich auch nur ein Wort sagte, würde ich anfangen zu schluchzen wie ein Kleinkind.
    »James?«, sagte sie fragend.
    Ich konnte nicht sprechen. Ich musste meine ganze Kraft zusammennehmen, um nicht zu weinen. Ich dachte an die [144]  vielen Besuche im Krankenhaus, an die Trauerfeier und die Beerdigung, und dass ich dabei nie geweint hatte, und ich dachte, was fällt ihnen ein. Was fällt ihnen ein, mich so weit zu bringen, dass ich weinen will? Was fällt ihnen ein? Was fällt ihnen ein? Was fällt ihnen ein?!
    »Du hast also was gegen Rap?«, fragte Braxton, als ich die Papiere in meinen Ordner packte.
    »Nein. Ich habe Rap genommen, weil das gegenwärtig die beliebteste Musikform ist.«
    »Nur damit du’s weißt, du wirkst dadurch ein bisschen rassistisch, also solltest du vielleicht was anderes als Rap nehmen.«
    »Wieso sollte –«
    »Ich sagte, die Kritik ist beendet«, griff Slim von seinem Pult aus ein.
    »Er hat mich gerade Rassist genannt. Darf ich wenigstens antworten?«
    »Aber kurz.«
    »Ich habe tausend Jazzplatten zu Hause, und auf neunundneunzig Prozent davon spielen schwarze Musiker. Und ich glaube nicht, dass jeder Rap automatisch schlecht ist, doch der Song in meinem Roman heißt ›The Body Song‹, und der ist schlecht, aber dennoch finden alle ihn toll, weil sie einen grässlichen Geschmack haben. Schlechte Musik, Dummheit und moralische Verwerflichkeit bilden für Woolworth eine untrennbare Einheit. Jedenfalls ändere ich es nicht, vergiss es also.«
    »Siehst du, jetzt verurteilst du uns praktisch alle«, sagte Lauren. »Im Grunde behauptest du, die Leute sind schlecht, wenn sie nicht die Musik hören, die du magst.«
    [145]  »In echt«, sagte Braxton. »Du kommst her, ziehst über die Musik her, die wir hören, und ziehst über uns alle her, weil wir gern vögeln, aber weißt du was, wir könnten dich auch kritisieren. Beispielsweise, warum trägst du ’n Anzug, oder warum hast du was dagegen, dass Leute vögeln?«
    »Weil ich so verflucht sonderbar bin.«
    Die meisten Kursteilnehmer drehten sich um, weil sie sehen wollten, wie Slim reagierte. Er konnte dazu nichts sagen, weil er einmal selbst das Wort im Kurs verwendet hatte.
    »Ich verstehe aber, was Braxton über Rassismus gesagt hat«, sagte Haley. »Ich fand die ganze Geschichte schwulenfeindlich und stellenweise auch sexistisch.«
    »Woher habt ihr sowas alles?«
    »Ich stimme dem zu«, sagte Lauren. »Ich fühlte mich beleidigt.«
    »Herrgott noch mal! In der Hälfte der von euch verfassten Geschichten werden Figuren auf die denkbar obszönste

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